Entgegen der aktuellen medialen Darstellung befassen sich die Organe der Europäischen Union (EU) zurzeit nicht nur mit der Bewältigung der bekannten Währungsstabilitätsprobleme in der Eurozone. Es sind auch zahlreiche Gesetzgebungsverfahren in unterschiedlichsten Verfahrensstadien hängig. So wird seit längerer Zeit in der EU die Frage nach Sinn und Zweck der Einführung einheitlicher Regelungen bei Restrukturierungen von Unternehmen kontrovers diskutiert. Während die gewerkschaftlich orientierten Kreise diese Gesetzgebungsbestrebungen begrüssen, stehen ihr die Arbeitgeberorganisationen auf europäischer Ebene kritisch bis ablehnend gegenüber.
Die bislang zur Vernehmlassung unterbreiteten Vorschläge beinhalten diverse Vorschläge zur Harmonisierung von Restrukturierungsvorschriften. Die Europäische Kommission hat im Januar dieses Jahres ein «Green Paper» (Diskussionspapier mit dem Zweck, eine öffentliche und wissenschaftliche Diskussion herbeizuführen und grundlegende politische Prozesse in Gang zu setzen) in die Vernehmlassung gegeben. Der Rapporteur des Ausschusses des Europäischen Parlaments für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Alejandro Cercas (Partido Socialista Obrero Español), zeigte sich indes mit den gestützt auf die Vernehmlassung gemachten ersten Vorschlägen der Kommission nicht zufrieden, weshalb er nun dem Europäischen Parlament eine Resolution zur Abstimmung unterbreiten will, bei deren Annahme die Kommission zur Ausarbeitung einer Richtlinie über die Restrukturierung verpflichtet würde.
Gemäss Resolution sollen die Unternehmen, die Arbeitnehmervertreter und die anderen involvierten Akteure in Fragen der Restrukturierung in einem Geist der Zusammenarbeit agieren, basierend auf rechtzeitiger und umfassender Information und Konsultation. Es bestehen Bestrebungen zur Einführung oder Verbesserung antizipativer Massnahmen in Bezug auf die wirtschaftliche Lage von Unternehmen sowie deren voraussichtliche Entwicklung der Beschäftigung mit dem Ziel, dass allfällige Restrukturierungen von Firmen möglichst weit im Voraus erkannt werden und gegebenenfalls einheitliche Massnahmen zwingend zu befolgen wären.
Unternehmen müssten in Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung regelmässig allfälligen Restrukturierungsbedarf evaluieren und darüber Bericht erstatten. Im Fall unvermeidbarer Restrukturierung würden der Belegschaft umfassende Informationsrechte zustehen. Ebenso werden von den Unternehmen ernsthafte Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen der Umstrukturierung verlangt und die Kündigung von Mitarbeitenden als letztes Mittel und nur nach Prüfung aller möglichen Alternativen mit unterstützenden Massnahmen zugelassen. Sodann wird eine aktive Beteiligung der öffentlichen Hand auf der jeweiligen Ebene in der Vorbereitung und dem Management von Umstrukturierungen gefordert, mit dem Ziel deren negative Auswirkungen zu begrenzen. Allfällige Erleichterungen bei der Umsetzung von Restrukturierungsmassnahmen würden den Arbeitgebern dann gewährt, wenn sie der gesamten Belegschaft jedes Jahr gewisse bezahlte Weiterausbildungen vertraglich zusichern.
Unter den Anwendungsbereich einer allfälligen Richtlinie würden Firmen respekive Konzerne fallen, die auf dem Gebiet der EU mindestens 500 Arbeitnehmer beschäftigen, sofern sie Restrukturierungen planen, von welchen in einem Zeitraum von drei Monaten mindestens 100 Arbeitnehmende in einem einzigen Unternehmen respektive 500 Mitarbeiter in einem Unternehmen und seinen abhängigen Unternehmen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten betroffen wären. Aller Voraussicht nach wird das Europäische Parlament noch dieses Jahr über diese Resolution abstimmen. Sollte sie angenommen werden, so wäre die Kommission verpflichtet, eine der Resolution entsprechende Richtlinie auszuarbeiten. Swissmem steht einer gesetzlichen Restrukturierungsregelung, wie sie die Resolution verlangt, ablehnend gegenüber. Da die europäische Gesetzgebung immer direkte wie auch indirekte Auswirkungen auf die schweizerische Gesetzgebung und damit auch auf den Werkplatz Schweiz hat, verfolgt Swissmem diese Thematik aufmerksam und bringt ihre Position im Interesse ihrer Mitglieder in Brüssel ein. Dabei erweist sich das Engagement von Swissmem beim europäischen Verband der Maschinenindustrie (CEEMET) - in welchem Swissmem ebenso Mitglied ist - als wertvolle Partnerschaft.
Für Fragen steht Ihnen Herr Jürg Granwehr, Ressortleiter Bereich Arbeitgeberpolitik (<link j.granwehr@swissmem.ch>j.granwehr@swissmem.ch</link>) gerne zur Verfügung.