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Anstehende Revision der Chemikalienverordnung: Auswirkungen in der MEM-Branche

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Die aktuelle Revision der Chemikalienverordnung wird Herstellern und Anwendern chemischer Stoffe neue Kennzeichnungs- und Informationspflichten bringen. So sollen weitere Anpassungen an das «Globally Harmonized System» zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien vorgenommen und Teile von REACH wie die Kandidatenliste übernommen werden. Swissmem nimmt Stellung in der laufenden Anhörung.

Die Revision der Chemikalienverordnung (ChemV) hat zwei Ziele: Das nationale Recht wird schrittweise an die europäische Umsetzung des internationalen Einstufungs- und Kennzeichnungssystems GHS angepasst («Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals»), und gewisse Aspekte der europäischen REACH-Verordnung (Regulation on Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals») sollen in der Schweiz zur Geltung kommen. Die wichtigsten und für die MEM-Branche relevanten Aspekte der umfangreichen Vorlage werden hier kommentiert.

Anpassungen an GHS und CLP

GHS wird in der EU in der CLP-Verordnung («Classification, Labelling and Packaging of substances and mixtures») umgesetzt. An diese Verordnung lehnen sich auch die Anpassungen im Schweizer Recht. Bereits heute dürfen Stoffe und Zubereitungen (z.B. Maschinenöle oder Kühlschmiermittel) freiwillig nach GHS bzw. CLP eingestuft, verpackt und gekennzeichnet werden. Es ist auch in der geltenden ChemV festgelegt, dass für Stoffe die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung nach CLP per 1.12.2012 verpflichtend wird, und dass für Zubereitungen diese Pflicht per 1.6.2015 eingeführt wird.

Mit der vorliegenden Revision werden die Vorgaben so umgestellt, dass diejenigen für Stoffe und diejenigen für Zubereitungen in der ChemV separat voneinander aufgeführt sind. Für Stoffe wird jeweils auf CLP verwiesen, für Zubereitungen werden die bisherigen Vorgaben belassen, nach denen nach altem Recht wie auch nach CLP eingestuft, verpackt und gekennzeichnet werden kann.

Leider ist der Verweis auf CLP für die Kennzeichnung von gefährlichen Stoffen eher kompliziert ausgefallen. Statt die relevanten Textpassagen aus der CLP-Verordnung direkt zu übernehmen, verweist die ChemV einzeln auf die entsprechenden Artikel. Dies erschwert die Lesbarkeit des Verordnungstexts, soll aber bei zukünftigen Änderungen von CLP einen schnelleren Nachvollzug gewährleisten und somit technische Handelshemmnisse reduzieren. Mit einem Hilfsdokument, das die relevanten CLP-Teile übersichtlich zusammenstellt, könnte hier der Praxis geholfen werden.

Vereinfachte Meldepflicht führt zu mehr Meldungen

Gefährliche und gewisse umweltschädliche Stoffe und Zubereitungen müssen bereits heute der Anmeldestelle des Bundes gemeldet werden. Aufgrund der Meldungen wird die Behörde aktiv, falls ein Stoff oder eine Zubereitung ein unzumutbares Risiko für Mensch und Umwelt darstellt. Ausserdem wird aufgrund dieser Informationen ein Produktregister geführt, das ein schnelles und adäquates Handeln bei Unfällen oder Vergiftungen erlaubt.

Mit der Revision wird die Meldepflicht neu geregelt, was zur Folge hat, dass mehr Zubereitungen meldepflichtig sein werden. Dies kann auch MEM-Betriebe betreffen, die z.B. Zubereitungen unter eigenem Handelsnamen oder für einen vom Hersteller nicht vorgesehenen Verwendungszweck abgeben. Neu wird eine Meldung für alle gefährlichen und für gewisse umweltschädliche Stoffe und Zubereitungen verlangt, für die ein Sicherheitsdatenblatt erstellt werden muss. Die Meldung hat innert drei Monaten nach erstmaligem Inverkehrbringen zu erfolgen. Zu bemängeln ist die fehlende Untergrenze für die Meldepflicht.

Inhaltlich werden zusätzliche Anforderungen an eine Meldung gestellt, wie beispielsweise für Nanomaterialien (Stoffe) und für Zubereitungen, die Nanomaterialien enthalten. Zu Nanomaterialien müssen neu Angaben zur Beschaffenheit gemacht werden, wie die Zusammensetzung des Kerns, die Oberflächenbeschichtung oder die mittlere Grösse.

Nach bisherigem Recht waren leichtentzündliche und entzündliche Stoffe und Zubereitungen von der Meldepflicht ausgenommen. Diese Regelung wird im Zuge der Anpassungen an CLP aufgehoben. Ausserdem wird die Ausnahme für Stoffe und Zubereitungen in der Forschung und Entwicklung neu auf «Analyse- und Forschungszwecke» bezogen. Die industrielle Entwicklung ist also nicht mehr von der Meldepflicht ausgenommen, was einen Verlust bedeutet.

Kandidatenliste als Anpassung an REACH


Derzeit laufen zwischen der Schweiz und der EU Vorgespräche für ein allfälliges bilaterales Abkommen zur Übernahme des EU-Chemikalienrechts REACH durch die Schweiz. Unabhängig vom Ausgang dieser Vorarbeiten will der Bundesrat gewisse Aspekte von REACH ins Schweizer Recht übernehmen.
Ein wichtiges Element von REACH ist die <link echa.europa.eu/web/guest/candidate-list-table _blank external-link-new-window>Kandidatenliste</link>, in der besonders besorgniserregende Stoffe aufgeführt sind (Substances of Very High Concern, SVHCs). Firmen, in deren Produkte einer dieser Stoffe vorkommt, <link echa.europa.eu/web/guest/candidate-list-obligations _blank external-link-new-window>müssen ihre Kunden über das Vorhandensein und den sicheren Gebrauch dieses Stoffes informieren</link>, falls der Stoff in einer Konzentration grösser 0.1% vorliegt.

Gegenüber Endverbrauchern müssen diese Informationen nur auf Anfrage, jedoch innerhalb von 45 Tagen abgegeben werden. Ausserdem erhalten SVHCs mit dem Eintrag auf der Kandidatenliste den Kandidatenstatus für Anhang XIV der REACH-Verordnung, der sogenannten <link echa.europa.eu/web/guest/addressing-chemicals-of-concern/authorisation/recommendation-for-inclusion-in-the-authorisation-list/authorisation-list _blank external-link-new-window>«Authorisation List»</link>. Stoffe, die in Anhang XIV aufgenommen werden, dürfen in der EU nicht mehr ohne Zulassung in Verkehr gebracht oder verwendet werden.

Die Kandidatenliste und die damit verknüpften Informationspflichten werden mit der vorgeschlagenen Revision im Schweizer Recht übernommen. Dies hat für Schweizer MEM-Unternehmen unterschiedliche Konsequenzen. Unternehmen, die sich bisher nicht um mögliche SVHCs in ihren Produkten kümmern mussten, weil weder sie noch ihre Kunden in die EU exportieren, werden sich neu mit den Pflichten bezüglich Kandidatenliste auseinander setzen müssen. Dies bedeutet einen administrativen Aufwand.

Für Schweizer Unternehmen, die aufgrund ihrer Handelsbeziehungen in den EU-Raum bereits heute mit den Informationspflichten der Kandidatenliste konfrontiert sind, dürfte sich die Situation dagegen verbessern. Diese Firmen haben heute den Nachteil, dass ihr EU-Lieferant keine Verpflichtung hat, den Schweizer Abnehmer über SVHCs zu informieren, auch wenn das verarbeitete Endprodukt wiederum in die EU zurück geliefert wird. Dies erschwert es dem Schweizer Unternehmen, seinerseits den Kunden in der EU die notwendigen Informationen bereitzustellen. Mit der aktuellen ChemV-Revision ist zwar nach wie vor der Schweizer Abnehmer in der Pflicht die Information dem Kunden abzugeben. Jedoch erhält er eine juristische Grundlage gegenüber dem EU-Lieferanten, der die Information auch den Schweizer Abnehmern abgeben sollte.
Kritische Bezugsgrösse

Erst ab einer Konzentration von 0.1 Gewichtsprozenten eines SVHCs muss die genannte Information über den Stoff weitergegeben werden. Umstritten ist jedoch, wovon die 0.1% gemessen werden. Gemäss dem <link www.bag.admin.ch/themen/chemikalien/00531/01460/06002/index.html _blank external-link-new-window>erläuternden Bericht</link>  zur Vorlage soll die 0.1%-Grenze auf Teile eines Gegenstandes bezogen werden anstelle des ganzen Gegenstandes. Ein Bezug auf Teile eines Gegenstandes ist jedoch kritisch einzustufen, da dies eine Vervielfachung des bereits grossen Kommunikationsaufwandes bedeutet. In der EU herrscht seit geraumer Zeit Uneinigkeit über diese Bezugsgrösse, wobei die meisten Mitgliedsstaaten und insbesondere die EU-Kommission und die Europäische Chemikalienagentur ECHA den gesamten Artikel wie verkauft als Bezugsgrösse nehmen. Hier wird Swissmem sich klar gegen die vorgeschlagene Auslegung des Artikels aussprechen.

Anpassungen bei den Sicherheitsdatenblättern

Im Bereich der Sicherheitsdatenblätter (SDBs) werden weitere Anpassungen an REACH vorgenommen. Neu sind SDBs gemäss dem neuen Anhang II von REACH zu erstellen. Das SDB muss nun zur Verfügung gestellt statt abgegeben werden, und dies darf neu auch elektronisch erfolgen. Neben den bisherigen Stoffen, für die ein SDB erstellt werden musste, muss auch für Stoffe auf der Kandidatenliste und für Zubereitungen mit einem Kandidatenstoff in einer Konzentration grösser 0.1% ein SDB abgeben werden. Insbesondere die Abgabe von Zubereitungen könnte in der MEM-Branche die Erstellung eines SDB erfordern (z.B. Kühlschmiermittel).

Stellungnahme von Swissmem

Swissmem wird sich grundsätzlich positiv zur Revision der ChemV äussern. Einige Punkte jedoch werden kritisch beurteilt, insbesondere der komplizierte Verweis auf CLP, der Verlust der Meldepflicht-Ausnahme für die Entwicklung, die fehlende Untergrenze für die Meldepflicht, und der Bezug der Konzentration von Kandidatenstoffen auf Teile von Artikeln.

Sollten Sie begründete Einwände gegen die Revision oder weitere kritische Punkte vorzubringen haben, bitten wir Sie um Rückmeldung bis spätestens Donnerstag 1. März 2011 an Christine Roth, Ressortleiterin Umwelt (<link c.rothnoSpam@swissmem.ch&gt;c.rothnoSpam@swissmem.ch&lt;/link&gt; oder 044 384 48 07). Für Fragen zur Vernehmlassung oder im Chemikalienbereich allgemein steht Ihnen ebenfalls Christine Roth zur Verfügung.

Die Vernehmlassungsunterlagen und weitere Informationen sind auf folgenden Seiten zu finden:

Letzte Aktualisierung: 08.02.2012