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Digital Industry – ist die Vision umgesetzt?

Das Industrieforum 2025 hat unter diesem Titel einmal mehr gezeigt, wie vielseitig, aber auch komplex das Thema Digitalisierung ist. Potenzial und Herausforderung liegen für Unternehmen nahe beieinander. Gerade deshalb ist die Veranstaltung ein idealer Treffpunkt, um über die Präsentation von strategischen Themen und konkreten Projekten Inspiration und Orientierung für den eigenen digitalen Weg zu erhalten. Eine wichtige Ergänzung war wiederum die begleitende Ausstellung zu aktuellen technologischen Lösungen und als Gelegenheit zum Austausch.

Nach drei Jahren erstmals wieder als Präsenzveranstaltung durchgeführt, konnten am Industrieforum 2025 fast 300 Gäste im voll besetzten Campussaal der FHNW begrüsst werden. Michael Sokoll führte souverän durch den Tag.

Nicht in Hektik verfallen

Den Anfang machte Keynote-Speaker Stephan Sigrist, Gründer und Leiter von W.I.R.E., der einen interdisziplinären Blick auf die Digitalisierung warf und dazu riet, sich nicht zu stark von der Dynamik der Entwicklungen und der steigenden Komplexität der Systeme beeinflussen zu lassen. Denn die Angst etwas zu verpassen führt am Ende dazu, dass man das Gesamtbild für sein Unternehmen aus den Augen verliert und zu kurzfristigen Ansätzen neigt. Der Fokus sollte nicht so sehr auf dem technisch Machbaren liegen, sondern den Nutzen für den Kunden in den Fokus stellen und sich darauf ausrichten, zukünftige Anforderungen an Produkte zu identifizieren. Als Handlungsfelder für die Industrie zählte er auf:

  • Früherkennungssystem für Technologieentwicklungen aufbauen
  • Kritische Potenzialanalysen für das eigene Unternehmen durchführen
  • Holistische Innovationsmodelle stärken, in denen man Markt, Gesellschaft und Umwelt einbezieht.

Warum sind Sie sicher, dass Sie Ihre Daten verwenden dürfen?

Das Sammeln, Auswerten und Weitergeben von Daten spielt in der Digitalisierung eine zentrale Rolle. Was dabei vielleicht nicht immer ganz so bewusst mitgedacht wird, ist die rechtliche Seite dieses Themas. Doch auch in diesem Bereich wird es anspruchsvoller. Für Ursula Sury, Vizedirektorin und Rechtsanwältin bei HSLU-Informatik lassen sich mit der Erstellung einer Data Governance die diesbezüglichen Herausforderungen meistern: Halten Sie verbindlich fest, wie Ihre Organisation mit Daten umgeht, wer welche Verantwortlichkeiten trägt und wie mit Risiken umgegangen wird!

Auch eine Frage der Kultur

Professor Toni Wäfler, Dozent und Projektleiter an der FHNW, warf aus einer psychologischen Perspektive den Blick auf das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Organisation. Wissen ist ein zentraler Faktor. Dieses ist aber nicht nur im Unternehmen verteilt, sondern basiert übedies zu einem grossen Teil auf den Erfahrungen von Mitarbeitenden, ist also nicht als explizites Faktenwissen abrufbar. Automatisierung für sich gesehen führt nach Toni Wäfler deshalb zu Wissensverlust.  Digitale Tools können durchaus zum Game Changer werden, doch die Voraussetzung dazu ist eine Förderung des bereichs- und hierarchieübergreifenden Austausches und die gezielte Gestaltung der Kooperation von Menschen untereinander und mit Technologien. Das bedingt eine neue Kultur des Lernens und der Kollaboration.

Reto Berner, Head Digitale Lösungen & Befähigung, RUAG MRO Holding AG, zeigte zusammen mit Nicolina Litschgi, Geschäftsführerin und Partnerin UNITY Schweiz, eindrücklich auf, wie man für die Digitalisierung in verhältnismässig kurzer Zeit ein realitätsbasiertes Zielbild und einen etappenweisen Umsetzungsplan entwickelt. Mit RUAG 4.0 erhielt die digitale Transformation einen klaren Fokus. Wichtig dabei: Die Mitarbeitenden waren Teil des Prozesses und sie wurden unabhängig von Funktionsbereich und Hierarchie einbezogen, um eine gute Situations- und Bedarfsanalyse vornehmen zu können.

Wie erarbeitet man ein digitales Geschäftsmodell?

Reto Züst, CTO und Member of the Executive Board von Zünd Systemtechnik AG, und René Brugger, Consultant RUZ, zeigten in ihrer Präsentation, wie sie entlang der vier Schritte strategische Attention, starkes Team, konsequente Kundensicht und Monetarisierung über günstige Einstiegsservices ein Geschäftsmodell für digitale Services entwickelt haben. Für ein Unternehmen, welches im klassischen Maschinenbau tätig ist, bedeutet dies auch, sich von etablierten Prozessen lösen zu können. Und das Bild vom klassischen Kunden reicht nicht mehr aus, vielmehr muss ein spezifisches Wertangebot für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzer ausgestaltet werden.

Marcel Pilger wiederum, Geschäftsführer und CTO von Q Point, gab einen Einblick in die komplexen Herausforderungen im Asphaltstrassenbau, geprägt durch zahlreiche Beteiligte, einen hohen administrativen Aufwand für die Koordination sowie äussere Einflussfaktoren wie Verkehr und Wetter. Mit der Digitalisierung entlang der Wertschöpfungskette hat das Unternehmen eine Lösung entwickelt, über die der Strassenbau effizient, vernetzt und intelligent optimiert werden kann.

Nachhaltigkeitsziele in Lieferketten erreichen

Die Dekarbonisierung ist nicht nur ein regulatorisches Thema, sondern je länger je mehr auch mit der Reputation eines Unternehmens verknüpft. Wie Florian Albrecht, Head of Stragey SiGREEN von Siemens, und Chrisitan Spindler, CEO Sustainaccount AG, darlegten, fallen aber 90% der Emissionen in den Lieferketten an, was Nachhaltigkeitsbestrebungen zur unternehmensübergreifenden Herausforderung werden lässt. Siemens bringt mit SiGREEN erstmals eine Lösung zur effizienten Abfrage, Berechnung und Weitergabe von Informationen über den CO2-Fussabdruck von Produkten auf den Markt. Dies geschieht über das offene und branchenübergreifende Estainium Netzwerk, mit dem Ziel, den verschiedenen Akteuren den Austausch vertrauenswürdiger Daten zu ermöglichen.

An Lean kommt man nicht vorbei

Schnell, individuell und kostengünstig: Das sind die Erwartungen der Kunden. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, hat das Unternehmen Phoenix Mecano Komponenten AG konsequent diejenigen Stellen im Fertigungsprozess identifiziert, wo Verschwendung droht. Für Geschäftsführer Michael Jahn ist klar, dass «smart» nur in Kombination mit «lean» die volle Wirkung erzielen kann.

Die Stöckli Swiss Sports AG wiederum sieht sich laut Christoph Fuchs, Chief Manufacture Officer, vor die Herausforderung gestellt, mit einem Betrieb, der stark auf Handarbeit ausgelegt ist und auf einer hohen Fertigungstiefe basiert, den Spagat von Einzelstücken und Serienproduktion zu schaffen. Dafür arbeitet das Unternehmen mit der AWK Group AG zusammen. Der Consultant Kai Suchanek gibt einen Einblick in die angewendete Methode der Wertstromanalyse 4.0, einer Erweiterung aus dem Lean Management, mit der sich digitale Verschwendung und deren Ursachen identifizieren lassen.

Sie wollen mehr über die Wertstromanalyse 4.0 erfahren? Dann besuchen Sie das  Halbtagesseminar von Industrie 2025 am 7. Juni! Programm und Anmeldung

Digitaler Zwilling: durch Simulation die Realität beherrschen  

Den Warenfluss im Automatiklager weiter optimieren: Dieses Ziel hat sich die Bosshard AG gestellt. CTO Urs Güttinger hebt hervor, dass der Einsatz eines digitalen Zwillings ermöglicht hat, dieses Projekt in Ruhe anzugehen, weil die Arbeit dadurch nicht gestört wurde. Und es konnte in der Simulation auch mal etwas progressiver getestet werden, als man dies in der Realität tun würde. Tatsächlich hat dieses Vorgehen am Ende offensivere Änderungen zugelassen als ursprünglich erwartet worden war.

Der GEMÜ Gebr. Apparatebau GmbH & Co. KG ist es über den Einsatz eines digitalen Zwillings gelungen, den Mischprozess in der Ventiltechnik zu revolutionieren. Entwicklungsingenieur Marco Wissinger informierte zusammen mit Teresa Alberts, CEO und Gründerin von ITficient AG über die Herausforderungen in diesem Bereich. Die Temperaturverteilung und Homogenität von Mischungen war bis anhin nur schwer messbar und erfolgte zeitverzögert. Nun konnte ein Prototyp erstellt werden, der durch virtuelle Sensoren einen Live-Einblick in den Mischprozess ermöglicht und so eine Echtzeit-Überwachung und damit ein unmittelbares Eingreifen erlaubt.

Effizienzsteigerung durch Daten

Im letzten Teil der Veranstaltung zeigten drei Praxisbeispiele eindrücklich auf, wie unterschiedlich die Ansätze zur Digitalisierung sein können.

Da ging es einmal darum, wie die Hallenbeleuchtung durch Sensoren ausgestattet wird, um einen zusätzlichen Nutzen aus einer bestehenden Infrastruktur zu ziehen. Julian Dömer, Senior Consultant Digital Services bei Dätwyler IT Infra und Ralf Müller, VP Product Management bei Zumtobel Lighting, zeigten auf, wie auf diesem Weg durch das Sammeln von Lokalisierungsdaten die Abläufe effizienter gestaltet werden können.

Bei der Belimo Automation AG wiederum wurde das Monitoring der Produktionsfähigkeit angegangen. Stefan Hartmann, Software Architect, und Alexej Ziegler, Mitgründer und CEO OCTOTRONIC GmbH, erläuterten ihr analytisches Vorgehen, mit welchem sie über Daten zu Informationen und dann über Vernetzung und Korrelation zu Einsichten gelangten, mit denen die Qualität und Produktivität gesteigert werden können.

Den Abschluss machen Karsten Lengnink, Head of Partner Management bei Dätwyler IT Infra, und Marcel Meier, Bereichsleiter Beschaffung und Unternehmensentwicklung bei stürmsfs. Bei zweiteren wurde das erste private 5G-Netz in Betrieb genommen. Dieses soll den Weg Richtung Smart Manufacturing ebnen: Über den besonders leistungsfähigen Funkstandard sollen künftig alle relevanten Assets der Fertigung auf sichere Weise miteinander vernetzt werden. 

Industrie 2025 ist die nationale Initiative mit dem Ziel, die digitale Transformation auf dem Werkplatz Schweiz voranzutreiben. Sie führt Anspruchsgruppen zusammen, strukturiert und vertieft vorhandenes Wissen und Erfahrungen und stellt diese frei zur Verfügung. Sie sorgt für die Einführung, Begleitung und Verankerung der Industrie 4.0-Konzepte in Wertschöpfungsnetzwerken und Produktionsunternehmen. Dies geschieht über vielfältige Aktivitäten, Arbeitsgruppen und konkrete Dienstleistungen.

Swissmem ist einer Trägerverbände von Industrie 2025.

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Letzte Aktualisierung: 22.05.2022