Die Schweiz stimmt am 18. Mai 2014 über die Mindestlohn-Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes ab. Sie verlangt die Einführung eines nationalen Mindestlohnes von 22 Franken pro Stunde oder 4‘000 Franken pro Monat. Swissmem teilt das Anliegen, in der Schweiz kein Lohndumping zuzulassen. Die vom Gewerkschaftsbund vorgeschlagene pauschale Mindestlohn-Lösung für die ganze Schweiz ist jedoch der falsche Weg:
- Die Lohnfestlegung ist nicht Aufgabe des Staates, sondern Sache der Unternehmer, der Mitarbeitenden und der Sozialpartner. Der Weg über die Sozialpartnerschaft ist der bessere, weil dabei sowohl für Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer tragfähige Lösungen entstehen, die auch branchenspezifischen und regionalen Bedürfnissen Rechnung tragen. Die Sozialpartner der MEM-Industrie haben dies im vergangenen Jahr einmal mehr bewiesen. In langen Verhandlungen wurde ein neuer GAV erarbeitet, der dementsprechend regional unterschiedliche Mindestlöhne enthält.
- Ein Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde wäre der mit Abstand höchste weltweit. Dies gilt auch kaufkraftbereinigt. Die Differenz zu jenem unserer Nachbarn (Frankreich: CHF 11.60 / Deutschland plant CHF 10.50) wäre massiv. Einzelne industrielle Tätigkeiten wären bei diesen hohen Lohnkosten nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Unternehmen im Inland wären gezwungen, die Automatisierung zu beschleunigen, was sich direkt auf die Beschäftigung auswirkt. Zudem würde ein derart hoher Mindestlohn vor allem in grenznahen Regionen viele Arbeitsplätze regelrecht ins Ausland vertreiben.
- Der weltweit höchste Mindestlohn würde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz reduzieren, weil er – genauso wie der abgeschottete Arbeitsmarkt – ausländische Unternehmen und Investoren abschrecken würde.
- Mit der Aussicht, auch ohne langjährige Ausbildung monatlich 4‘000 Franken zu verdienen, würde für Jugendliche der falsche Anreiz geschaffen, auf eine Berufslehre zu verzichten. In Zeiten des Fachkräftemangels auf allen Stufen wäre dies eine äusserst bedenkliche Entwicklung.
Die Mindestlohn-Initiative des Gewerkschaftsbundes ist eine Fehlkonstruktion. Die Verlierer wären vor allem schlecht qualifizierte Personen, Berufseinsteiger und Menschen mit gewissen Einschränkungen, deren Jobs ausgelagert oder wegrationalisiert würden. Statt zu arbeiten und dabei einen Lohn zu verdienen, würden diese Menschen aus der Erwerbstätigkeit ins Abseits gedrängt. Sie hätten keine Chance, sich im Arbeitsalltag wertvolle Berufserfahrung anzueignen und verlieren damit die Möglichkeit, sich für anspruchsvollere, besser entlohnte Tätigkeiten zu qualifizieren. Diese Menschen würden unnötig ihr Selbstwertgefühl verlieren und den Sozialstaat belasten – mit schlechten Perspektiven aus dieser Abhängigkeit heraus zu finden.
Aushöhlung der Sozialpartnerschaft
Die Arbeitgeber, Gewerkschaften und Angestelltenverbände der MEM-Industrie haben im Rahmen der Sozialpartnerschaft Mitte 2013 einen neuen GAV ausgehandelt und unterzeichnet. Die Sozialpartnerschaft hat zum Ziel, Interessengegensätze zu überbrücken. Sie folgt der Handlungsmaxime von «Treu und Glauben» und verlangt, bei Verhandlungen immer auch die Interessen der Gegenpartei zu berücksichtigen. Genau dies wurde in den Verhandlungen zum neuen MEM-GAV im letzten Sommer erreicht. Während den Verhandlungen hatte die nun federführende Unia nicht ein einziges Mal die Notwendigkeit von regional unterschiedlichen Mindestlöhnen infrage gestellt. Die Unia war wie die anderen Verhandlungspartner mit Mindestlöhnen einverstanden, die in gewissen Regionen deutlich unter 22 Franken pro Stunde liegen. Dennoch kämpft dieselbe Gewerkschaft heute an vorderster Front für die Mindestlohn-Initiative. Dieses Verhalten hat in den Augen von Swissmem mit «Treu und Glauben» nichts zu tun. Im Gegenteil: Es ist unredlich, tritt das GAV-Verhandlungsergebnis mit Füssen und höhlt damit die jahrzehntelang bewährte Sozialpartnerschaft aus.
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