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«Entscheid ist hoch riskant»

Swissmem-Präsident Hans Hess erläutert im Interview mit der «Finanz und Wirtschaft» die Haltung der MEM-Industrie zum Atomausstiegsentscheid des Bundesrats. (28. Mai 2011)

Herr Hess, als Präsident des Maschinen-, Elektro- und Metallindustrieverbands haben Sie den Atomausstiegsentscheid des Bundesrats scharf kritisiert. Sie fordern, die Landesregierung müsse nun eine fundierte Gesamtenergiestrategie erarbeiten. Was versprechen Sie sich davon?

Wir wollen wissen, wie der Bundesrat die Lücke von rund 40% Strom aus der Atomkraft rechtzeitig zu füllen gedenkt. So, dass die Versorgungssicherheit hoch bleibt, keine höhere Auslandabhängigkeit entsteht und die Strompreise für unsere Wirtschaft tragbar bleiben. Leider gibt es dazu bis heute nur vage Ideen. Wir sind von konkreten, technisch und politisch machbaren Pläne noch weit entfernt. Unter solchen Umständen eine so wichtige Entscheidung zu fällen, finden wir mehr als mutig und hoch riskant.

Werden Sie gegen den Entscheid des Bundesrats ankämpfen?

Wir erwarten, dass der Bundesrat so rasch wie möglich die ganze Expertise in unserem Land zusammenruft. Es geht darum, die vage anmutende Vision des Bundesrats zur Sicherstellung der Stromversorgung in einen politisch, ökonomisch und ökologisch machbaren Aktionsplan umzusetzen. Bis Ende Jahr müssen konkrete Lösungsvarianten mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen auf dem Tisch liegen. Schon nächstes Jahr muss entschieden werden, denn die Umsetzung wird viel Zeit brauchen.

Durch den gestaffelten Ausstieg dürfte der Strompreis zusätzlich um etwa 15% steigen. Wie sehr gefährdet das den Industriestandort Schweiz?

Manche befürchten eine Strompreiserhöhung um 30%. Ohne fundierte Strategie können wir nur spekulieren, wie sich die Preise entwickeln. Aber die vorgeschlagenen massiven Lenkungsabgaben muten abenteuerlich an. Die Schweizer Exportindustrie ist jetzt schon mit sehr vielen Herausforderungen konfrontiert. Denken Sie nur an den starken Franken, der zu einer Verteuerung unserer Produkte um 15 bis 20% geführt hat. Jede weitere Kostenerhöhung treibt die Unternehmen immer näher an den Abgrund und gefährdet damit Arbeitsplätze in der Schweiz.

Was muss geschehen, damit Industrie und Gewerbe durch den Atomausstieg nicht aus der Schweiz verdrängt werden?

Die Wirtschaft braucht genug Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen. Es gibt hierzulande Unternehmen, beispielsweise in der Stahlindustrie, deren Stromrechnung so hoch ist wie die Personalkosten. Wenn für sie die Stromkosten um 15 oder gar 30% steigen würden, wäre das völlig untragbar und würde das Aus bedeuten.

Der Bundesrat sagt, für die energieintensiven Branchen soll es Erleichterungen geben. Wie realistisch ist dieses Vorgehen?

Das weiss ich heute leider auch nicht, denn neben den technischen gibt es auch politisch viele offene Fragen. Wir werden die Gesetze und Verordnungen anpassen müssen. Ob dazu der politische Wille vorhanden ist, muss sich erst zeigen. Die vielen Einsprachen gegen Wasserkraftwerke und Stromleitungen werden kaum einfach zurückgezogen. Die hohen Lenkungsabgaben sind in dieser Form politisch nicht realisierbar.

Unter den Mitgliedern von Swissmem befinden sich zahlreiche Technologielieferanten für den Sektor erneuerbare Energie. Wie beurteilen Sie die Chancen für die Schweizer Industrie, von einer beschleunigten Energiewende zu profitieren?

Ja, viele Schweizer Industrieunternehmen haben bereits Technologien, die es ermöglichen, Energie und Strom zu sparen, auf alternative Art Strom zu erzeugen oder intelligenter zu übertragen. Das war übrigens schon vor Fukushima so. Unsere Unternehmen, die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen und die Schweizer Forschungsanstalten haben höchst interessante Projekte im Köcher, wie die Chancen noch besser genutzt werden könnten. Die Politik scheint leider noch nicht bereit zu sein, den Hochschulen die nötigen Mittel zu geben, um diese Technologien zur Anwendungsreife zu bringen. Die Chancen sind also da, wir müssen sie aber auch nutzen, ohne die Industrie mit Schnellschüssen in Schwierigkeiten zu bringen.

Letzte Aktualisierung: 31.05.2011