Wie schaffen Sie es, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen? Geht das überhaupt? Als ich ein Kind war, haben meine Eltern beide 100% gearbeitet. Jeden Morgen brachten sie mich in die Kinderkrippe oder zum Grossmami.So konnten meine Eltern Arbeit und Familie unter einen Hut bringen. Es war nicht immer einfach und meine Mutter fragt sich oft, ob sie eine gute Mutter war, da sie nur am Abend und am Wochenende bei mir sein konnte. Ich habe damit nie ein Problem gehabt. In der Kinderkrippe habe ich mit vielen anderen Kindern gespielt und Spass gehabt und am Abend konnte ich mit meinen Eltern sein. Trotz Tochter und Arbeit haben meine Eltern auch Zeit für den Haushalt und den Garten gefunden. Meine Erfahrung als Kind hat mir gezeigt, dass es möglich ist, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Heute bin ich kein Kind mehr und ich arbeite für eine grosse internationale Firma, bin verheiratet habe aber noch keine Kinder. Ich habe aber viele Hobbys und bin sozial engagiert. Beide Sachen brauchen viel Zeit neben meinem Job. Ich Arbeite 100% von Montag bis Freitag. Nach der Arbeit gibt es jeden Tag ein anderes Programm: Sport, Haushalt, Einkaufen, Freunde treffen, Musik mit Kollegen spielen, Tauchen, Kartenbasteln. Im Winter verbringe ich jedes Wochenende auf der Piste und manchmal gebe ich diese Leidenschaft als Skilehererin an kleine und grosse Gäste weiter. Das ist nicht vergleichbar mit einer Familie, aber ich bin der Meinung, dass alles möglich ist, wenn man sich gut organisiert. Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten, um Arbeit und Familie zu verbinden. Ich denke, dass Väter und Mütter eine Abwechslung zwischen Familie und Arbeit brauchen, um eine gute Work-Life-Balance hinzukriegen. Als Ingenieurin würde ich es sehr schade finden, mich 100% nur für die Familie zu engagieren. Die Technologien und Wissenschaft erneuern sich jeden Tag und ich möchte nicht den Zug für meine Karrierentwicklung verpassen. Die Familie bedeutet mir ebenfalls sehr viel, deswegen würde ich mich mit meinem Mann so organisieren, dass wir beides ermöglichen können. Sie arbeiten in einer von Männern dominierten Branche. Passen Sie als Frau sich an oder versuchen Sie, sich durchzusetzen? Ich arbeite in einer von Männern dominierten Branche, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich anpassen muss oder mich mit Kraft und viel Energie immer durchsetzen muss. Es ist klar, es passiert ab und zu, dass ein Arbeitskollege mir zeigen will, dass er Recht hat oder besser ist. Interessanterweise sind es immer die gleichen Kollegen, die sich so verhalten. Die Gründe kenne ich nicht, aber in dem Fall sind sie das Problem und nicht ich oder andere Frauen, die einen technischen Beruf gewählt haben. Ich liebe meinen Beruf. Ich gehe gerne ins Büro und mir gefällt das Arbeitsverhältnis, das ich mit 95% der Arbeitskollegen habe. Ich habe mich aus Interesse für diese Art von Beruf entschieden. Als Kind habe ich mich immer wie mein Vater für Autos, Fussball, Werkzeuge und Handwerk interessiert. Da ist es naheliegend, dass ich Maschinenbauingenieurin geworden bin. Generell sehe ich je länger je mehr Akzeptanz für Frauen in Männerbranchen. Wenn mehrere Ingenieurinnen in einem Team oder Projekt zusammen arbeiten ist das Konfliktrisiko grösser als wenn Frauen mit Männern arbeiten. Ich kann mir vorstellen, dass jede besser sein will als die andere und ein Konkurrenzkampf entsteht. Ich finde das schmerzhafter und trauriger, als die oben geschilderte Situation. Ich finde, man muss niemandem beweisen, wie gut man in seinem Job ist. Zum Glück ist jeder und jede von uns Spezialist in einem bestimmten Fachgebiet. Das macht eine Firma heterogen und stark. Nutzen Sie Netzwerke speziell für Frauen? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? In unserer Firma bin ich die Beauftragte für Chancengleichheit. Die Firma unterstützt die SVIN (Schweizerische Verein für Ingenieurinnen). Somit habe ich mehrmals im Jahr die Gelegenheit, an Stammtischen von SVIN teilzunehmen. Bis jetzt war ich erst einmal an der Generalversammlung von SVIN und ich habe die Gespräche mit den Ingenieurinnen aus anderen Firmen und Fachgebieten sehr interessant gefunden. Im April 2015 habe ich am ersten SwisswoMEMclub Meeting in Zürich teilgenommen. Der Abend war sehr spannend mit anregenden Themen, die zu interessanten Diskussionen geführt haben. Was mir persönlich sehr gefallen hat, ist die Variation der Arbeit jeder Teilnehmerin: Ingenieurinnen, Assistentinnen, Anwältinnen, Managerinnen und viele mehr. Ich freue mich schon auf das nächste Treffen und dieses Mal werde ich versuchen, ein paar Arbeitskolleginnen mitzunehmen. Betreibt Ihr Unternehmen Diversity-Management? Was bringt das Ihnen als Frau und was bringt es Ihrem Unternehmen? Ja. Bei uns gibt es jede mögliche Kombination von Team- und Projektorganisation. In meinem Team zum Beispiel sind wir zwei Frauen und zwei Männer und die Zusammenarbeit klappt sehr gut. Vom Alter her sind wir auch breit gestreut: ich bin die Jüngste und der erfahrenste Mitarbeiter ist 56. In der Fabrik gibt es alte und junge Mitarbeitende aus unterschiedlichen Kulturen. Auch in der Fabrik und an den Prüfständen sind kompetente Frauen am Werk. Die Organisation eines Projektes zeigt unsere «Diversity» am besten: Erfahrene mit weniger erfahrenen Mitarbeitenden (so können sie neue Erfahrungen sammeln), junge und alte, mit und ohne PhD-Titel, Frauen und Männer und es funktioniert einwandfrei. Ich unterstütze ein solches Management, weil ich der Meinung bin, dass man nur so zu Innovation, Pioniergeist und Wettbewerbsfähigkeit kommt. Und nur so kann eine Firma heutzutage bestehen. Wenn immer die gleichen Personen für die Entwicklung eines neuen Produkts eingesetzt werden, besteht das Risiko, dass das neue Produkt zu 90% gleich aussieht wie das Alte. Für die Kunden ist das nicht sehr interessant. Persönlich gibt mir ein solches Management die Möglichkeit, von mehreren Personen zu lernen. Der Blickwinkel, mit welchem ich manche Themen angehe, hat sich in den letzten Jahren verbreitert und meine Fähigkeiten haben sich ebenfalls stark entwickelt. Meine Kollegen merken das; ich merke das; und dazu macht es Spass, sich mit unterschiedlichen Meinungen auseinanderzusetzen, um zum besten Resultat zu kommen. Wer hilft Ihnen dabei, berufliche Ziele festzulegen und zu erreichen? Da mein Mann in der gleichen Firma arbeitet wie ich, unterhalten wir uns auch privat über die Arbeit. Ich unterstütze ihn und er unterstützt mich. Wir sind ehrlich und offen miteinander und sagen einander die eigenen Meinung zu beruflichen Zielen, Herausforderungen, Motivationswegen oder Verhaltensmöglichkeiten in schwierigen Situationen. Wir reflektieren sehr viel miteinander und lernen beide von unseren beruflichen Erfahrungen. Bei der Arbeit selber haben wir zweimal im Monat ein bilaterales Gespräch mit der Teamleiterin. Dort wird der Status der Projekte, Aufgaben und Ziele besprochen. Zusätzlich gibt es ein Mitarbeitergespräch, in welchem die Ziele des Mitarbeiters zusammen mit dem Teamleiter definiert und besprochen werden. Diese Ziele sollen für den Mitarbeiter herausfordernd sein, aber nicht unrealistisch. Sonst werden diese Ziele als Belastung erlebt statt als Richtlinie für den Mitarbeiter und das wäre Kontraproduktiv für die Gesundheit des Mitarbeiters, für das Team und für die Firma. Am meisten Unterstützung, um die Ziele zu erreichen, bekomme ich von meinen Arbeitskollegen. Wir sind ein sehr gut eingespieltes Team. Wir helfen einander! Wir sind vier Teammitglieder mit vier unterschiedlichen Stärken. Jeder hilft dem anderen dort, wo er sich am besten auskennt. Ich bin ein Glückspilz, zu diesem Team gehören zu dürfen.