Herr Nussbaum, während der Corona-Krise wurden Forderungen laut, die Schweiz solle sich auf sich selbst besinnen. Warum setzen Sie sich für eine hohe Vernetzung und Freihandel ein?
Wir besinnen uns mit diesem Abkommen auf unsere klassischen Stärken: Wir können eigenständig Verträge schliessen, sind eine Exportnation und unsere Erzeugnisse geniessen eine hohe Reputation. Der Erfolg unserer Wirtschaft basiert auf möglichst uneingeschränkten Handelsmöglichkeiten. Unsere Unternehmen exportieren innovative und technologisch fortschrittliche Produkte und Dienstleistungen in die ganze Welt. Die Schweiz tut gut daran, ihr Handelsnetzwerk weiter auszubauen und ihre Interessen mittels bilateralen Freihandelsabkommen abzusichern. Solche Abkommen bauen teure Handelshemmnisse wie Zölle ab und sind ein Garant für Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit. Damit sichern sie Arbeitsplätze in der Schweiz. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit steigendem Protektionismus sind Freihandelsabkommen enorm wichtig. Der Vertrag mit Indonesien kommt also genau zum richtigen Zeitpunkt. Er trägt zur Erholung nach dem Corona-Schock bei.
Kritiker monieren, Freihandelsabkommen kämen in erster Linie den reichen Industrienationen zugute. Was sagen Sie dazu?
Freihandel erhöht den Wohlstand in den beteiligten Ländern gleichermassen, das ist seit langem belegt. Es ist auch logisch, denn sonst würde kein Staat einen solchen Vertrag abschliessen. Vom freien Handel mit Gütern und Dienstleistungen profitieren nicht nur die Industrienationen, sondern im Wesentlichen auch die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie gewinnen Zugang zu unseren Märkten für ihre Leistungen und können so ihrerseits Arbeitsplätze schaffen. Das ist wesentlich würdevoller und nachhaltiger, als unsere Märkte abzuschotten und als Feigenblatt Entwicklungshilfe zu leisten. Schweizer Industriegüter sind sehr innovativ. Es handelt sich meist um effiziente Hightech-Produkte, die im konkreten Fall für Indonesien nun preisgünstiger erhältlich sind. Es ist dieser Technologie- und Wissenstransfer, der sowohl zu einer Stärkung von Bildung und Wohlstand als auch zu mehr Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz im Zielland führt.
Sie haben das Freihandelsabkommen mit Indonesien bereits angesprochen. Wir stimmen am 7. März darüber ab. Wieso ist Indonesien für Schweizer Exporteure überhaupt ein interessanter Zielmarkt?
Mit mehr als 267 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten und einem dynamischen Bevölkerungswachstum birgt der Inselstaat grosses Potential für Schweizer Unternehmen. Die politischen Verhältnisse sind stabil. Der Mittelstand wächst und Experten schätzen, dass Indonesien 2050 die viertgrösste Volkswirtschaft der Welt sein wird. Dadurch trägt das vorliegende Abkommen dazu bei, unsere Exportmärkte ausserhalb der dominanten Räume EU/USA breiter abzustützen. Indirekt profitieren sehr viele Zulieferbetriebe und Gewerbe von Aufträgen der exportorientierten Betriebe - deshalb ist das Abkommen auch in unser aller Interesse.
Weshalb ist der Exportanteil nach Indonesien denn bisher bescheiden? Schafft das Freihandelsabkommen hier Abhilfe?
Ein Hemmnis für einen intensiveren Warenaustausch zwischen der Schweiz und Indonesien sind zweifelsohne die hohen Zölle auf Schweizer Industriegüter. Diese betragen durchschnittlich acht – teilweise aber bis zu 30 Prozent. Hier schafft das Freihandelsabkommen tatsächlich Abhilfe. So werden 98 Prozent der Schweizer Exporte zollbefreit. Hinzu kommt der Abbau von zahlreichen Handelshemmnissen und der Schutz des Geistigen Eigentums. Das Freihandelsabkommen erleichtert so den Schweizer Firmen den Zugang zum stark wachsenden indonesischen Markt. Gleichzeitig verschafft es ihnen einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber der direkten Konkurrenz aus der EU und den USA, die (noch) nicht
Wirtschaftlich ist das Abkommen also ein Erfolg. Aber wie sieht es punkto Nachhaltigkeit aus – insbesondere im Zusammenhang mit Palmöl?
Mit dem Freihandelsabkommen gelingt es, auch in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen. Das Abkommen enthält ein weitreichendes Kapitel mit völkerrechtlich verbindlichen Nachhaltigkeitsregeln. Im Mittelpunkt steht das Palmöl. Nur wenn dieses zertifiziert und rückverfolgbar ist, profitiert es von Handelsvorteilen. So schafft das Abkommen für Indonesien einen wichtigen Anreiz, Palmöl in Zukunft nachhaltig anzubauen und dient möglicherweise als Modell für Abkommen auch mit anderen Partnern. Politik ist die Kunst des Machbaren - und das ausgehandelte Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Kritiker des Abkommens müssen sich die Frage stellen, ob sich denn die Situation bei einer Ablehnung verbessert - natürlich nicht!
Mit einem JA zum Freihandelsabkommen am 7. März bestätigen wir den Schweizer Weg, unsere internationalen Beziehungen fair, partnerschaftlich und schrittweise weiterzuentwickeln.
Das Interview erschien zuerst auf der Webseite der Solothurner Handelskammer.