Die Auftragseingänge in der Schweizer MEM-Industrie nahmen im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahressemester um -12,5 Prozent ab. Besonders ausgeprägt zeigt sich der Rückgang im zweiten Quartal 2019 mit -19,5 Prozent weniger Aufträge als im Vorjahresquartal. Allerdings hatten die Bestellungseingänge in den Vorjahresperioden ein sehr hohes Niveau erreicht. Im Ausmass des Rückganges steckt also ein gewisser Basiseffekt. Dennoch ist die Abschwächung massiv.
Auch die Umsätze reduzierten sich im ersten Halbjahr 2019. Sie lagen um -1,9 Prozent tiefer als im Vorjahressemester. Differenziert nach den Quartalen resultierte im ersten Quartal ein Rückgang von -1,1 Prozent und im zweiten ein solcher von -2,6 Prozent. Die Umsatzeinbussen sind im Vergleich zum Bestellungseingang nicht so ausgeprägt, weil die Unternehmen noch vom guten Auftragsbestand aus dem Vorjahr zehren. Grossfirmem und KMU sind in ähnlichem Ausmass von der negativen Entwicklung betroffen.
Der rückläufige Auftragseingang wirkte sich auf die Kapazitätsauslastung in den Betrieben aus. Nachdem diese im vierten Quartal 2018 noch den sehr hohen Wert von 91,6 Prozent erreicht hatte, sank die Kapazitätsauslastung im ersten Quartal 2019 auf 89,3 Prozent und im zweiten Quartal auf 86,6 Prozent ab. Gemäss der jüngsten Umfrage des KOF erreichte sie im Juli 2019 noch 83,7 Prozent, was deutlich unter dem langjährigen Mittelwert von 86,4 Prozent liegt. Die Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der MEM-Industrie erhöhte sich im ersten Quartal 2019 auf 322'800 Arbeitsplätze. Die Beschäftigung liegt damit um +2,6 Prozent höher als im Vorjahresquartal. Die Beschäftigungszahlen per Mitte 2019 liegen noch nicht vor. Aufgrund der rückläufigen Auftragseingänge und Kapazitätsauslastung rechnet Swissmem in den nächsten Monaten jedoch nicht mit einem weiteren Stellenwachstum. Im Gegenteil wurden vereinzelt bereits Stellenabbau und Kurzarbeit beschlossen.
Sinkende GĂĽterexporte
Die Güterausfuhren der MEM-Industrie erreichten im ersten Halbjahr 2019 einen Wert von 34,5 Milliarden Franken. Dieser Wert liegt um -1,0 Prozent tiefer als im Vorjahressemester. In den einzelnen Warengruppen entwickelten sich die Exporte unterschiedlich. Rückläufig waren die Ausfuhren bei den Metallen (-6,2%), im Maschinenbau (-5,2%) und in der Elektrotechnik / Elektronik (-0,9%). Einzig die Exporte von Präzisionsinstrumenten erhöhten sich (+4,0%). Bei der regionalen Aufschlüsselung zeigt sich, dass die Güterexporte in die EU (-1,5%) und nach Asien (-2,6%) zurückgingen. Hingegen entwickelten sich die Exporte in die USA weiterhin positiv (+5,1%).
Deutlich eingetrĂĽbte Aussichten
Die Lage der Schweizer MEM-Industrie hat sich im ersten Halbjahr 2019 deutlich verschlechtert. Auch die Aussichten haben sich weiter eingetrübt. Die bestehenden Risiken, wie zum Beispiel die globalen Handels- und Währungskonflikte, ein ungeordneter Brexit sowie die schwelenden Schuldenprobleme in einigen EU-Staaten, haben sich akzentuiert. Aufgrund dieser Unsicherheiten hat sich die Konjunktur in den wichtigsten Absatzmärkten der MEM-Industrie spürbar abgekühlt und die Prognosen für den weiteren Verlauf wurden stetig nach unten korrigiert. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich der Schweizer Franken wieder aufgewertet, was die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der MEM-Unternehmen beeinträchtigt. Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem, sagt dazu: «Die jüngste Entwicklung gibt Anlass zu grosser Sorge. Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage weiter zurückgehen wird. Das «Best Case-Szenario» ist, dass es im Laufe der nächsten zwölf Monate zu einer Stabilisierung auf tieferem Niveau kommt. Voraussetzung dafür ist aber, dass es zu keinen grösseren politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen kommt.»
Gute Rahmenbedingungen wichtiger denn je
Angesichts dieser Entwicklung muss die Politik handeln und die Industrie in der Schweiz stützen. Hans Hess unterstreicht: «Wir wollen keine Subventionen. Aber wir wollen bessere Rahmenbedingungen. Und wir brauchen endlich Klarheit beim Verhältnis zur EU. Ich fordere deshalb den Bundesrat, das Parlament, die Sozialpartner sowie die Verwaltung auf, die Bedürfnisse der Exportindustrie ernst zu nehmen. Nur so kann die MEM-Industrie auch künftig ab Standort Schweiz erfolgreich bleiben.» Swissmem hat in der aktuellen Situation einen detaillierten Forderungskatalog erstellt, der sowohl innenpolitische wie auch aussenwirtschaftliche Bereiche anspricht:
Aussenwirtschaftspolitik:
- Das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU muss noch vor Ende Oktober 2019 unterzeichnet werden. Es garantiert den nahezu hindernisfreien Zugang zum wichtigsten Absatzmarkt.
- Die Freihandelsabkommen mit Indonesien und dem Mercosur mĂĽssen rasch ratifiziert werden. Zudem muss die Chance auf ein Freihandelsabkommen mit den USA gepackt werden.
Innenpolitik:
- Die Nachfrage droht einzubrechen. Zum Erhalt der Arbeitsplätze muss deshalb die Karenzzeit für Kurzarbeit auf einen Tag reduziert und die Bezugsdauer von 12 auf 18 Monate erhöht werden.
- Die Industrie konnte die Margen- und Substanzverluste der vergangenen Jahre trotz grossen Anstrengungen noch nicht voll wettmachen. Sie kann deshalb keine höheren Lohnnebenkosten tragen. Auf einen Ausbau des Sozialstaats (z.B. Vaterschaftsurlaub) muss verzichtet werden.
- Bei der Beschaffung des neuen Kampfflugzeuges braucht es zwingend einen Offset-Anteil von 100 Prozent. Das eröffnet Chancen für KMU.
- Weiterbildung ist zentral für die künftige Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb müssen im Rahmen der BFI-Botschaft genügend Mittel für die von verschiedenen Verbänden lancierten Projekte, wie z.B. die MEM-Passerelle 4.0, eingestellt werden.
- Innovation war und bleibt der Schlüssel zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb müssen die Projektfördermittel der Innosuisse um jährlich 20 Millionen Franken erhöht und die Cash-Eigenbeteiligung der Betriebe gestrichen werden. Zudem müssen die Mittel für das Programm «Advanced Manufacturing» im Umfang von 80 Millionen Franken in der kommenden BFI-Botschaft zugesichert werden.
- Spitzenleistungen erfordern Spitzenleute. Im gewissen technischen und ITC-bezogenen Funktionen fehlt es aber in der Schweiz an Spezialisten. Deshalb müssen die Drittstaatenkontingente erhöht werden.
Charts und Zahlen zum 2. Quartal 2019
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