Die Lage der MEM-Industrie präsentiert sich insgesamt eigentlich sehr ermutigend, auch wenn es Unterschiede zwischen den Subbranchen gibt (z.B. die Automobilzulieferer stehen vor Kurzarbeit). Die Umsatz- und Auftragseingangszahlen sind im ersten Halbjahr 2021 so gut ausgefallen, dass mit ziemlicher Sicherheit im dritten Quartal das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht bzw. sogar übertroffen werden sollte. Dem starken pandemiebedingten Einbruch im letzten Jahr würde so eine ebenso starke Erholung in diesem Jahr folgen. Eine typische V-Entwicklung für unsere Branche. Offen bleibt jedoch die Frage, wie die jüngst stark gestiegenen Beschaffungskosten für Rohstoffe, Energie, Vormaterialien und Elektronikkomponenten die Erholung der MEM-Industrie zu bremsen vermögen.
Die MEM-Industrie ist zur Herstellung ihrer Produkte naturgemäss auf Rohstoffe, Vormaterialien und insbesondere den Einsatz von Energie angewiesen. Die Preise dieser Inputfaktoren sind in den letzten Wochen und Monaten stark angestiegen. Gemäss den Zahlen des Bundesamts für Statistik ist im Zeitraum September 2019 (also noch vor Corona) bis September 2021 Stahl um 64% teurer geworden, Stahlrohre um 39% und verarbeiteter Stahl um 27%. Beim Strom ist der Preis auf dem Spotmarkt auf über 20 Rp./kWh gestiegen. Vorher hat er sich jahrelang in einem Bereich von 3 Rp./kWh bis 5 Rp./kWh bewegt. Der Gaspreis hat sich mehr als verdoppelt. Wichtige Industriemetalle haben sich im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit ebenfalls stark verteuert: Kupfer +60%, Zink +55%, Aluminium +55%. Hinzu kommt, dass es in vielen Bereichen, insbesondere auch was Elektronikkomponenten anbelangt, zu Lieferengpässen und Lieferverzögerungen kommt. Die Ursachen für diese Preisentwicklung sind unterschiedlich.
Wie können die MEM-Firmen mit den stark gestiegenen Beschaffungskosten umgehen? Es gibt drei Möglichkeiten:
- Einen gewissen Schutz, der jedoch zeitlich befristet ist, bieten langfristige Lieferverträge mit festgelegten Preisen. Sobald diese Verträge jedoch auslaufen, werden die aktuellen Preise an den Beschaffungsmärkten die Grundlage für den Abschluss von Folgeverträgen bilden.
- Verständlicherweise werden die Firmen versuchen, die höheren Beschaffungskosten auf die Kunden zu überwälzen. Das gelingt insbesondere dann, wenn die Firma ein gewisses Alleinstellungsmerkmal geniesst und somit in einer Nische tätig ist. Der Kunde hat dann kaum eine andere Wahl, als die höheren Preise zu akzeptieren. Gelingt dies jedoch nicht, dann gehen die höheren Beschaffungskosten zulasten der eigenen Gewinnmarge. Dies würde die MEM-Industrie zusätzlich belasten, sieht doch die Ertragslage der Branche insgesamt nicht so rosig aus. Im Coronajahr 2020 (aktuellste Zahlen) lag die EBIT-Marge bei 24% der Firmen im negativen Bereich. Und bei 31% der Firmen betrug sie lediglich zwischen 0% und 5%.
- Mittel- bis langfristig besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich durch Substitution den gestiegenen Rohmaterial- und Energiepreisen zu entziehen. Dies gilt aber keineswegs generell und ist nur über den Investitionszyklus hinweg möglich. Voraussetzung hierzu ist, dass überhaupt eine technologische Alternative existiert – sei es im Ersatz von bisher eingesetzten durch neue Materialien oder sei es beim Energieeinsatz, indem Gas durch Strom ersetzt wird. Für verschiedene Hochtemperaturprozesse beispielsweise gibt es diese technologische Alternative heute noch nicht. Darüber hinaus muss sich eine allfällige technologische Substitution auch wirtschaftlich lohnen. Werden Gas und Strom gleichzeitig teurer, wie gegenwärtig der Fall, kann nur der Einzelfall zeigen, ob sich der Einsatz von Strom anstelle von Gas auch wirtschaftlich lohnt.
Die nächsten Monate werden zeigen, welchen Einfluss die gegenwärtig schwierige Beschaffungssituation auf die weitere Entwicklung der MEM-Industrie haben wird. Obschon gewisse Preiserhöhungen unterdessen etwas korrigiert worden sind (z.B. Gas), bleibt unklar, wie lange der Aufwärtstrend anhalten wird und wie stark eine anschliessende Gegenbewegung ausfallen könnte.