Swissmem lud dieses Jahr ins SwissTech Convention Center der EPFL in Lausanne ein. Im Zentrum stand die hochaktuelle Frage, wie der Weg zu einer sicheren, klimaneutralen und bezahlbaren Energieversorgung gestaltet werden kann. Akteure aus Politik, Industrie und Wissenschaft diskutierten, welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind, welche technologischen Lösungen es bereits gibt und wo sie weiteres Potenzial für die Zukunft sehen.
Demokratie und Europa: Nichts ist selbstverständlich und automatisch gegeben
Christian Wulff, Bundespräsident a.D., warf zu Beginn einen Blick auf die aktuelle Situation aus europäischer Perspektive. In der Vergangenheit sei man mit Themen wie Frieden, Krieg und Geopolitik nachlässig umgegangen. Umso wichtiger sei es nun, dass Europa mit einer geeinten, starken und unabhängigen Stimme auftrete und seine demokratischen Werte ins Spiel bringe. Die Schweiz gehöre dazu und Christian Wulff wünschte sich, dass ein faires institutionelles Verhältnis zu Europa gefunden werden könne.
Neben den geopolitischen Spannungen zeichneten sich weitere Herausforderungen ab, insbesondere der Fachkräftemangel. Grosses Lösungspotenzial – auch im Hinblick auf die CO2-Neutralität – sieht er in den heutigen und zukünftigen Technologien, insbesondere in den Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Er appelliert an die Anwesenden, den Herausforderungen mit Optimismus und Freude statt mit Besorgnis zu begegnen.
Technologien als SchlĂĽssel zur klimaneutralen Energieversorgung
Swissmem-Präsident Martin Hirzel betont in seinem Referat, dass rasch gehandelt werden müsse, um rechtzeitig klimaneutral produzieren zu können. Einschränkungen und Verzicht würden in die falsche Richtung führen, vielmehr müsse auf technologische Lösungen für den Klimaschutz gesetzt werden. Dazu müssen folgende Weichen gestellt werden:
- Die am Runden Tisch definierten 15 Wasserkraftprojekte mĂĽssen realisiert werden. Gleiches gilt fĂĽr alpine Solarparks wie Grengiols.
- Die Genehmigungsverfahren fĂĽr Kraftwerksbau und Netzinfrastruktur mĂĽssen gestrafft und beschleunigt werden.
- Es muss in die Speicherung von ĂĽberschĂĽssigem Solarstrom investiert werden, damit dieser auch im Winter zur VerfĂĽgung steht.
- Keine Technologieverbote, etwa bei der Kernenergie.
- Bestehende Kernkraftwerke sollen so lange am Netz bleiben, wie sie sicher sind.
- Ă–ffnung des Strommarktes, um marktwirtschaftliche Innovationspotenziale zu nutzen und die Voraussetzungen fĂĽr ein Stromabkommen mit der EU zu schaffen.
Hydraulik, Fassadennutzung und Schifffahrt: Innovationen aus der Schweizer Technologieindustrie
Drei eindrückliche Beispiele aus der Praxis zeigten die Vielfalt der Ansatzmöglichkeiten, was im Bereich Nachhaltigkeit heute schon möglich ist und woran für die Zukunft gearbeitet wird.
Im Schlüsselbereich Wasserkraft stellte Roland Cuénod, CEO Andritz Hydro SA, seine energieeffizienten und umweltfreundlichen Hydraulikkonzepte vor.
Kromatix SA entwickelt PV-Fassadensysteme, die sich durch Energieeffizienz, Ästhetik und Langlebigkeit auszeichnen, wie Präsident Rafic Hanbali anhand von zahlreichen Projekten anschaulich erläuterte.
Die Firma Almatech SA wiederum ist in der Luft- und Raumfahrt tätig. CEO Hervé Cottard stellte das innovative Projekt ZESST vor: ein leises und emissionsfreies Boot, das Energieeinsparungen von über 80% ermöglicht.
Entscheidende Rolle von Digitalisierung und kĂĽnstlicher Intelligenz
Für Matthias Rebellius, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO Smart Infrastructure Siemens, ist die Vernetzung von Technologien im Energiebereich - die sogenannte Sektorkopplung - ein wichtiger Faktor auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Darüber hinaus setzt Siemens seit langem auf die Entwicklung von «Digital Twins», um Transparenz im Netz zu schaffen und die Energieeffizienz deutlich zu steigern. Künstliche Intelligenz spielt eine immer wichtigere Rolle, um die Komplexität der Herausforderungen zu bewältigen. Mit Blick über den Tellerrand des eigenen Unternehmens betont Matthias Rebellius die Bedeutung von Technologieoffenheit und eines funktionierenden Zusammenspiels von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
Politische und wissenschaftliche Diskussionsrunden
Auf dem Weg zum Ziel «Netto-Null» sind die Weichenstellungen auf politischer Ebene entscheidend. Die Podiumsteilnehmenden - Jacqueline de Quattro, Nationalrätin FDP Waadt, Roger Nordmann, Nationalrat SP Waadt, Pierre-André Page, Nationalrat SVP Freiburg, Céline Weber, Nationalrätin GLP Waadt - diskutierten verschiedene Themen: Politische Prozesse, die vereinfacht und verkürzt werden müssen; Technologieoffenheit, wobei hier die Meinungen zu den Kernkraftwerken auseinandergingen; die Bedeutung des Stromabkommens und die Folgen einer Liberalisierung des Strommarktes.
Im wissenschaftlichen Podium mit Dr. Yasmine Calisesi, Direktorin EPFL Energy Center, Dr. Tom Kober, Leiter Energiewirtschaft PSI, Prof. Dr. Andreas Züttel, Direktor des Labors für erneuerbare Energien (LMER), EPFL Valais/Wallis wurden Themen wie die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik mit der Wissenschaft, die Bedeutung von Wasserstoff, das Potenzial bei der Energieeffizienz in Umwandlungsprozessen, inländische Optionen und Marktintegration sowie Herausforderungen und Lösungsansätze bei der Energiespeicherung diskutiert, damit diese im Winter ausreichend zur Verfügung steht.
Video-Impressionen des Tages finden Sie hier: