Über die Hälfte des Wohlstandes der Schweiz kommt vom Aussenhandel. Das gilt insbesondere für die Schweizer MEM-Industrie. Sie erwirtschaftet fast 80 Prozent ihrer Erträge im Ausland. Der Schweizer Heimmarkt ist viel zu klein, um den MEM-Firmen mit ihren 320'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitenden eine Zukunft und ein Einkommen zu sichern. Der einzige Weg, um diese Firmen sowie die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze zu erhalten, ist dauernder Erfolg auf den Weltmärkten. Dafür müssen primär drei Bedingungen erfüllt sein:
- Die Produkte und Dienstleistungen müssen wettbewerbsfähig sein.
- Es braucht einen guten Zugang zu den Absatzmärkten.
- Die MEM-Firmen müssen möglichst hindernisfrei Rohstoffe und Vorprodukte aus dem Ausland beschaffen können.
Für diese drei Bedingungen sind Freihandelsabkommen (FHA) eine wichtige Stütze. Primär sollen sie durch Zollabbau Exporte sowie Importe erleichtern und fördern. Zudem enthalten moderne FHA auch Bestimmungen zu nicht-tarifären Handelshemmnissen, Direktinvestitionen und zum Schutz des geistigen Eigentums. Alle diese Elemente stützen die Wettbewerbsfähigkeit Schweizer Produkte in den Zielmärkten und helfen mit, die Beschaffungskosten von Vorleistungen zu senken.
Dank den bilateralen Verträgen mit der EU hat die Schweiz sektoriell Zugang zum EU-Binnenmarkt. Für die Schweizer MEM-Industrie ist die EU mit einem Exportanteil von 56 Prozent die wichtigste Absatzregion. Rund 80 Prozent des potenziell zugänglichen globalen Markvolumens für die MEM-Industrie liegen jedoch ausserhalb des EU/EFTA-Raumes. Davon ist nur knapp die Hälfte durch FHA abgedeckt. Das verdeutlicht, dass noch sehr viel Marktpotenzial durch neue Abkommen erschlossen werden könnte.
Freihandelsabkommen entfalten eine klar positive Wirkung
Swissmem hat BAK Economics beauftragt, den Nutzen der bestehenden Verträge und die Potenziale zusätzlicher Abkommen zu untersuchen. Die von BAK Economics erstellte graphische Analyse vergleicht die durchschnittliche Entwicklung der Exporte vier Jahre vor und nach Inkrafttreten aller bestehenden FHA. Sie zeigt, dass die Schweizer MEM-Exporte in den vier Jahren nach Inkrafttreten durchschnittlich stärker ansteigen als in den vier Jahren davor. Konkret steigen sie in den ersten vier Jahren nach Abschluss kumuliert um 19 Prozent mehr an als wenn die Abkommen nicht abgeschlossen worden wären. Das ist substanziell.
Beachtliche Nutzung der Freihandelsabkommens – mit Luft nach oben
Die Studie von BAK Economics umfasste auch eine Befragung der Swissmem-Mitgliedfirmen. Für 89 Prozent der Unternehmen ist im Zusammenhang mit FHA die Förderung der Exporte wichtig bis sehr wichtig. Eine sehr hohe Bedeutung (74%) wird auch der Förderung von Importen beigemessen. An dritter Stelle folgt der Schutz des geistigen Eigentums. Dieser wird von 57 Prozent der Unternehmen als wichtig bis sehr wichtig bezeichnet.
Ergänzend ergründete die Mitgliederbefragung, wie intensiv die MEM-Firmen die Vorteile der FHA nutzen. Dies im Wissen, dass es einen zusätzlichen administrativen Aufwand bedeutet und Kosten verursacht, wenn man FHA nutzen will. Es nutzen zwar nicht alle Firmen diese Verträge. Aber die Nutzung ist beachtlich hoch. Insgesamt profitieren 81 Prozent der Grossfirmen und 65 Prozent der KMU von den FHA mit den EU/EFTA-Staaten. Die FHA ausserhalb der EU/EFTA nutzen 52 Prozent der Grossfirmen und 30 Prozent der KMU. Als grösste Hindernisse im Umgang mit diesen Abkommen bezeichnen die Firmen die Komplexität der Ursprungsregeln und der bürokratische Mehraufwand.
Brachliegende Potenziale
Ergänzend zeigen die Studienergebnisse, dass noch grosse Potenziale brachliegen. Das betrifft drei Dimensionen:
- Die Unternehmen können die bestehenden FHA noch besser nutzen. Dies im Wissen, dass niemals alle MEM-Firmen auf FHA zurückgreifen werden, weil sie nichts oder nur wenig exportieren.
- Bestehende FHA können noch vertieft werden – z.B. indem mehr Produkte zollbefreit oder bestehende Handelshemmnisse weiter abgebaut werden.
- Die Schweiz kann zusätzliche FHA abschliessen.
Langfristprognosen zeigen, dass das Wachstum von BIP und Investitionen in jenen Ländern, mit welchen die Schweiz noch kein FHA abgeschlossen hat, deutlich über dem globalen Durchschnitt liegen wird. Die grössten Wachstumspotenziale bieten Südostasien, Indien und die USA. Mercosur wächst zwar schwächer als die Weltwirtschaft insgesamt. Diese Region bietet aber ebenfalls ein positives, wenn auch weniger deutliches Potenzial.
Mit Indonesien und dem Mercosur liegen zwei fertig ausgehandelte FHA auf dem Tisch. Offen sind die Verhandlungen mit Indien und anderen südostasiatischen Staaten. Hier braucht es einen Sondereffort, damit ein Abschluss baldmöglichst in Reichweite kommt. Im Weiteren sollte alles dafür getan werden, damit Verhandlungen mit den USA aufgenommen werden können.