Die Herausforderungen können sich sowohl auf den Erfolg der KI-Implementierung als auch auf den gesamten Geschäftsbetrieb auswirken: eine frühzeitige Identifizierung im Bewertungsprozess ist von entscheidender Bedeutung.
Folgende Themenbereiche sollten genauer angeschaut werden:
1. Datenqualität und -verfügbarkeit
KI-Systeme sind in hohem Masse auf qualitativ hochwertige Daten angewiesen, aber in industriellen Umgebungen sind diese oft fragmentiert, inkonsistent oder unvollständig. Legacy-Systeme, fehlende standardisierte Datenformate und Datensilos können eine effektive Datenerfassung und -verarbeitung behindern. Schlechte Datenqualität kann zu ungenauen Modellen führen, die zu fehlerhaften Entscheidungen, Ineffizienzen oder sogar Sicherheitsrisiken führen können.
Die Investition in eine sinnvolle Daten-Governance lohnt sich für jedes Unternehmen. Sie ist die Grundlage für eine gewinnbringende Nutzung der Daten, sei es für einfache Analysen der Firmensituation bis hin zu komplexen KI-Systemen.
2. Integration mit Legacy-Systemen
Viele Industrieunternehmen verlassen sich auf Legacy-Systeme, die nicht mit Blick auf KI entwickelt wurden. Die Integration von KI-Lösungen in diese bestehenden Systeme kann komplex und ressourcenintensiv sein. Eine schlechte Integration kann zu Betriebsunterbrechungen, Systeminkompatibilitäten und Leistungseinbussen führen und in einigen Fällen teure Infrastrukturüberholungen erforderlich machen.
Bei der Einführung von neuen Systemen sollte daher auf die Integrationsmöglichkeiten der neuen Systeme in eine flexible Umgebung geachtet werden. So werden die Nutzungsmöglichkeiten der Daten gezielt erhöht und die Firma für eine datengetriebene Zukunft vorbereitet.
3. Mangel an Talenten und Fachkräften
KI-Projekte erfordern spezielle Fähigkeiten wie Data Science, maschinelles Lernen und KI-spezifisches Engineering. Industrieunternehmen, insbesondere solche, die neu in der KI sind, haben oft Schwierigkeiten, die notwendigen Talente zu finden und zu halten. Dieser Mangel kann dazu führen, dass KI-Projekte ins Stocken geraten oder die gelieferten Ergebnisse unter den Erwartungen liegen. Eine übermässige Abhängigkeit zu Drittanbietern schränkt zudem die Kontrolle und Flexibilität innerhalb der Projekte ein.
Ein guter Mittelweg ist es, ein Minimum an Fachpersonen intern aufzubauen, die sich auf Augenhöhe mit externen Dienstleistern austauschen können. Falls dies nicht durchführbar ist, sollte gut darauf geachtet werden, einen «Vendor Lock-in» zu vermeiden oder möglichst klein zu halten.
4. Skalierbarkeit und Wartung
Während erste KI-Pilotprojekte erfolgreich sein können, stellt die Skalierung dieser Lösungen über mehrere Anlagen, Linien oder Betriebe hinweg erhebliche Herausforderungen dar. Die Wartung von KI-Modellen in einem dynamischen, industriellen Umfeld, in dem sich die Bedingungen und Prozesse ständig ändern, erfordert eine kontinuierliche Überwachung und Aktualisierung der Systeme. Wenn eine effektive Skalierung nicht möglich ist, kann dies zu inkonsistenten Ergebnissen führen, und die Qualität schlecht gewarteter Modelle kann im Laufe der Zeit verfallen, wodurch die Genauigkeit und Effektivität der Lösungen verringert werden. Daher ist schon bei der Auswahl der Use Cases für die Pilot Projekte im Hinterkopf zu behalten, dass die Lösungen langfristig skaliert werden sollen.
5. Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit
In industriellen Umgebungen steht viel auf dem Spiel – KI-gesteuerte Entscheidungen können sich direkt auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Compliance auswirken. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass KI-Systeme verlässlich sind und keine neuen Risiken mit sich bringen. Eine Fehlfunktion des KI-Systems oder eine falsche Vorhersage kann zu Geräteausfällen, Unfällen oder Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften führen, was erhebliche Kosten und Reputationsschäden zur Folg haben kann.
Das Ausführen gut durchdachter Tests ist unerlässlich. Genügend Zeit und Budget sollten dafür eingeplant und aufgewendet werden.
6. Ethische und regulatorische Überlegungen
KI führt zu komplexen ethischen Fragen, wie z. B. Verzerrungen in Entscheidungsalgorithmen, insbesondere wenn sie im Workforce-Management eingesetzt wird. Darüber hinaus befindet sich die regulatorische Landschaft rund um KI noch in der Entwicklung, und Industrieunternehmen müssen die juristischen Unsicherheiten bewältigen. Die Nichteinhaltung oder der unethische Einsatz von KI kann zu rechtlichen Strafen, Vertrauensverlust und Reputationsschäden führen.
Nebst der regelmässigen Beobachtung der Veröffentlichung neuer Gesetzte lohnt es sich auch, die Mitarbeitenden aufzufordern, sich kritisch mit Resultaten der KI-Systeme auseinanderzusetzten und nicht-ethische Ergebnisse zu melden. So können Risiken früher entdeckt und angegangen werden.
7. Änderungsmanagement und -einführung
Die Implementierung von KI erfordert oft erhebliche Änderungen in Prozessen und Arbeitsabläufen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Zustimmung aller Ebenen des Unternehmens zu sichern, insbesondere von Mitarbeitenden, die neuen Technologien möglicherweise misstrauisch gegenüberstehen. Widerstand gegen Veränderungen hat einen entscheidenden Einfluss auf KI-Projekte, verlangsamt sie oder bringt sie sogar zum Scheitern.
Auch hier gilt es, dem Thema genügend Zeit und Budget zu widmen. Ein gutes Änderungsmanagement kann Wunder bewirken und einen entscheidenden Einfluss auf das Gelingen von KI-Projekten haben.
8. Kostenüberschreitungen und ROI-Unsicherheit
Die Kosten für Technologie, Integration, Talente und laufende Wartung können auch bei KI-Projekten hohe Summen verschlingen. Der Return on Investment (ROI) ist möglicherweise nicht sofort ersichtlich, insbesondere in komplexen Industrieumgebungen. Wenn die Kosten ausser Kontrolle geraten oder der erwartete ROI nicht realisiert wird, wirkt sich dies abschreckend auf zukünftige Investitionen aus.
Eine solide Projekt-Governance, offene und regelmässige Kommunikation mit den Dienstleistern sowie klare Zielsetzungen helfen, die Übersicht über die Kosten und Fortschritte zu behalten.
9. Investition von Zeit und Ressourcen
Ein oft unterschätzter Aspekt von KI-Projekten ist der erhebliche Aufwand an Zeit und Geld, die für die Entwicklung sinnvoller KI-Lösungen eingesetzt werden sollten. KI-Systeme, die einen Mehrwert schaffen, erfordern mehr als nur gute Ideen – es braucht Mitarbeitende mit fundierten Prozesskenntnissen sowie herausragende KI-Talente, insbesondere solche, die in der jeweiligen Branche erfahren sind. Diese Talente zu finden und zu halten, ist eine Herausforderung, da viele Tech-Giganten sehr attraktive Arbeitsumgebungen und wettbewerbsfähige Gehälter bieten.
Sich mit den Wünschen und Bedürfnissen von Arbeitnehmenden auseinanderzusetzten und neue Wege bei der Flexibilität und Entwicklungsmöglichkeiten für Talente innerhalb der Firma zu gehen, können Pluspunkte sein, die KI-Experten anziehen.
10. Fokussierung auf die richtigen Anwendungsfälle
Es ist wichtig, sich auf Anwendungsfälle zu konzentrieren, die einen direkten Mehrwert generieren – einfache Prozesse, die häufig von vielen Mitarbeitern durchgeführt werden, sind gute Beispiele für erste Implementierungen. Später können komplexere Prozesse, die das Unternehmen viel Zeit und Geld kosten, mit KI automatisiert werden.
Die Gefahr zu Beginn besteht meist darin, dass eine zu grosse oder zu schwierige Aufgabe angegangen wird. Klein anzufangen und schrittweise zu skalieren, ist oft effektiver und trägt dazu bei, eine Dynamik aufzubauen und den Wert der KI zu demonstrieren, ohne das Unternehmen zu überfordern. Weniger ist hier oft mehr!
Indem sie diese potenziellen Fallstricke frühzeitig angehen, können sich Unternehmen besser positionieren, um KI effektiv und nachhaltig zu nutzen.
Praxiszirkel «Künstliche Intelligenz»
Die Experten von Artificialy nehmen am Praxiszirkel «Künstlichen Intelligenz» teil, der am 5. November 2024 startet und von Next Industries organisiert wird. Dieser geschlossene Erfahrungsaustausch von Unternehmen der Tech-Industrie sowie weiteren Experten ist eine sehr gute Möglichkeit, Wissen zum Thema KI aufzubauen und von den Erfahrungen der anderen Teilnehmenden zu profitieren. Die Treffen bieten auch Raum, individuelle Anliegen oder Fragestellungen einzubringen und wertvolles Feedback dazu zu erhalten.
Interessierte Unternehmen können sich für weitere Informationen an Matthias Kühne, Ressortleiter Digitalisierung bei Next Industries, matthias.kuehnenoSpam@nextindustries.ch, Tel. 044 384 48 48, wenden.
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