Nach wie vor ist die die Vorstellung, dass sich ältere Mitarbeitende mit neuen Technologien schwertun, recht verbreitet. Der digitale Wandel weckt vor diesem Hintergrund besondere Befürchtungen, dass Ältere «nicht mehr mitkommen». Wenn aber davon ausgegangen wird, dass Altern keineswegs zwangsläufig mit dem Verlust des beruflichen Leistungsvermögens verbunden ist, wird es primär eine Frage der Veränderungsbereitschaft und des Willens statt eine Frage des Alters.
Technologische Veränderungen im Arbeitsumfeld sind keine neue Erscheinung. Konstrukteure arbeiten nicht mehr am Zeichenbrett, sondern mit 3D-CAD-Systemen. Informatiker programmieren nicht mehr Cobol sondern mit methodengesteuerten, vernetzten Entwicklungssystemen. Schon bei früheren Entwicklungen waren die Mitarbeitenden gefordert, diese Veränderungen mit zu gehen. Das ist mit den Veränderungen, die unter dem Überbegriff Digitalisierung stattfinden nicht anders.
Nun ist es so, dass die Veränderungen im industriellen Umfeld noch nicht abgeschätzt werden können. Sicher wird der Wandel in den Unternehmen und den einzelnen Aufgabenbereich unterschiedlich stattfinden, sowohl was die Methoden und Technologien angeht, wie auch zeitlich. Allgemeine Aussagen zu den neuen Herausforderungen sind schwierig zu machen.
Das Arbeitsumfeld ändert sich
Mit Blick auf das Arbeitsumfeld, wird die Digitalisierung in zwei Bereichen Veränderungen mit sich bringen. Einerseits bei der unmittelbaren Arbeitsweise. Durch den Einsatz von IT-Systemen wie Dokumentenmanagement, Intranet-Portalen, Kollaborationstools aber auch Anwendungen auf Smartphones und Tablets verändert sich die Art und Weise, wie die Arbeit bewältigt wird, aber auch wie innerhalb von Teams oder Unternehmen zusammengearbeitet wird. Es halten neue Methoden und neue Denkweisen Einzug, die es zu akzeptieren und mitzugehen bedarf. Die Kompetenz, diese Tools nutzen zu können, gehört zunehmend zum Werkzeugkasten der Arbeitnehmenden und bestimmt mit über die Arbeitsmarktfähigkeit.
Der Umgang mit diesen digitalen Systemen lernen alle Mitarbeitenden in der Regel on-the-job oder in firmeninternen Schulungen. Von allen ist die Offenheit gefordert, sich mit den neuen Möglichkeiten auseinander zu setzen und sich in die Anwendung einzuarbeiten. Das Alter spielt dabei grundsätzlich keine Rolle.
Der zweite Bereich ist die Digitalisierung im fachlichen Umfeld der Mitarbeitenden. Je nach Funktion der Person im Unternehmen hat dies eine andere Ausprägung. In der Produktion werden Werkzeuge und Werkstücke über Barcodes oder RFID-Chips identifiziert. Die Einkäuferin wird entlastet, in dem der Schraubenlieferant selbst erkennt, wann welche Schrauben an den Montageplätzen aufgefüllt werden müssen. Der Verkäufer kann vor Ort beim Kunden online die Maschine nach dessen Bedürfnissen konfigurieren und den Preis sowie die Lieferzeit berechnen.
Mit dem Einsatz solcher digitalen Technologien wird ein wesentliches Ziel verfolgt. Sie unterstützen den Menschen und seine Leistungsfähigkeit. Davon profitieren auch ältere Beschäftigte.
Die geistige Leistungsfähigkeit verändert sich, geht aber nicht zurück
Verschiedene Untersuchungen kommen zum Ergebnis, dass ältere Mitarbeitende beruflich genauso leistungsfähig sind wie Jüngere. Dies gilt für Planungs- und Problemlöseleistungen wie auch für Innovationsfähigkeit. Ebenso können auch ältere Beschäftigte noch lernen und sind ebenso wie jüngere Beschäftigte in der Lage, mit technischen Neuerungen Schritt zu halten. Bei älteren Beschäftigten kann die Geschwindigkeit bei der Verarbeitung von Informationen zurückgehen, dafür gewinnen sie an Erfahrungswissen, das ihnen hilft, Aufgaben zielgerichteter anzupacken. Ihre Urteilsfähigkeit ist gut ausgeprägt, so dass sie schnell und präzise die richtigen Entscheidungen treffen können. Dies sind wichtige Eigenschaften, die bei der Entwicklung der betrieblichen Umgebung notwendig sind. Trotz dieser Erkenntnisse hält sich hartnäckig die Wahrnehmung, dass ältere Mitarbeitende vom digitalen Wandel in den Betrieben überfordert sind. Es geht also mehr um die Frage der Bereitschaft und des Willens seitens der Mitarbeitenden. Aber auch darum, was seitens des Unternehmens den Mitarbeitenden zugetraut wird.
Neue Systeme entlasten die Mitarbeitenden
Wie bei früheren Technologieentwicklungen in der Produktion entlasten die neuen Methoden und Technologien die Mitarbeitenden. Aus Sicht der Unternehmen entsteht der Nutzen aus der Einführung von neuen Instrumenten aus der Steigerung der Produktivität und damit der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Verschiedene Aspekte tragen zu diesem Nutzen bei. So werden monotone, körperlich belastende und gesundheitlich gefährdende Tätigkeiten durch Assistenzssysteme entlastet oder weitgehend automatisiert. Beispiele sind schweres Heben und Tragen bei Transportaufgaben, ungünstige Körperhaltungen bei Montagen sowie repetitive Tätigkeiten, wie die Entnahme von Werkstücken. Auch gibt es die Chance, Arbeitsplätze besser und leichter als bisher an die Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen, zum Beispiel durch eine automatische Einstellung der Maschine auf die Körpermasse, Qualifikationsprofile und Sprache der einzelnen Beschäftigten. Assistenzssysteme bieten auch eine kognitive Entlastung der Mitarbeitenden. Beispiele sind Montageanleitungen über Tabletcomputer, allenfalls sogar ergänzt mit Augmented-Reality-Funktionen, oder die Führung bei Montagearbeiten durch Pick-by-light Installationen. Informations- und Steuerungssysteme entlasten und unterstützen die Mitarbeitenden bei diversen Funktionen entlang der Produktionskette. Sie nehmen Druck von den Beschäftigten und reduzieren Fehlentscheide und entsprechende Ausfälle. Nicht zuletzt können organisatorische Abläufe entsprechend den Möglichkeiten der Beschäftigten optimiert und schliesslich sogar angepasst Arbeitszeitmodelle eingeführt werden. Alle solche Massnahmen ermöglichen insbesondere auch eine altersgerechte Arbeitsgestaltung.
Weiterqualifikation fĂĽr alle Mitarbeitenden
Die Beschäftigten müssen ihre Eigenverantwortung wahrnehmen, sich den Herausforderungen in der Arbeitswelt zu stellen. Diese Verantwortung hatten sie bisher, sie wird aber durch die Dynamik und die Vielfalt anspruchsvoller. Dass die Bereitschaft nach 30 Jahren Berufstätigkeit vielleicht nicht mehr so hoch ist, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Zahllose Beispiele aus den Betrieben zeigen jedoch auf, dass die Motivation vorhanden ist und dass es auch mit 50+ möglich ist, am digitalen Wandel teilzunehmen und ihn auch mitzugestalten.
Industrie 4.0 braucht Change Management
Die Herausforderungen, im Betrieb Veränderungen umzusetzen, hat schon vor einiger Zeit die Disziplin des Change Managements entstehen lassen. Die Themen des Widerstands und der Motivation gegenüber Veränderungen, ob es organisatorische oder technologische sind, sind unabhängig von Alter und Qualifikation der Beschäftigten relevant. Das Change Management hat zweifellos bei Digitalisierungsprojekten eine grosse Bedeutung und bezieht die älteren Mitarbeitenden als Zielgruppe speziell mit ein.
Die Veränderungen, die durch die digitale Transformation in den Betrieben Einzug halten werden, sind vielfältig. Sie werden aber je nach Betrieb auch unterschiedliche sein. Nur weil sie getrieben sind durch immer günstigere und leistungsfähigere digitale Technologien sind sie aber keine Bedrohung für die älteren Mitarbeitenden. Im Gegenteil, sie bieten Chancen, die Bedürfnisse dieser Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Das sind Chancen für die Mitarbeitenden wie auch für das Unternehmen, das weiterhin auf die Erfahrung und Kompetenz der älteren Mitarbeitenden zählen kann.