Als Exportindustrie kann man nie Freude daran haben, wenn die Notenbank die Leitzinsen erhöht. In der Regel geht dies einher mit einer Stärkung der eigenen Währung, was wiederum die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exportunternehmen auf den Auslandmärkten belastet. Der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zur Erhöhung des Leitzinses von -0,75% auf -0,25% hat dann auch umgehend zu einer Stärkung des Schweizer Frankens geführt. Der für die MEM-Industrie so wichtige Euro-Wechselkurs lag vor dem SNB-Entscheid bei über 1.04 CHF/Euro und ist am Folgetag bis auf 1.01 CHF/Euro gesunken.
Das allgemeine wirtschaftliche Umfeld ist für die MEM-Industrie ohnehin schon ziemlich herausfordernd: gestörte Lieferketten wegen Ukrainekrieg und Lockdowns in China, Risiko einer Strom- und Gasmangellage, Abkühlung der Konjunktur in den Hauptabsatzmärkten EU und USA wegen hoher Inflation und drohenden oder bereits erfolgten Zinserhöhungen und weitere mehr.
Auch wenn bei einem Eurowechselkurs von +/- 1.05 CHF/Euro kaum noch währungsbedingte Wettbewerbsnachteile bestehen, so kommt die erneute Frankenaufwertung für die MEM-Industrie als zusätzliche Belastung hinzu. Dies gilt insbesondere für Firmen, die im langfristigen Projektgeschäft tätig sind und die keine Gleitklauseln für Wechselkursänderungen in ihren Verträgen durchsetzen konnten. Die nun erfolgte Frankenaufwertung hat für diese Firmen schmerzhafte Folgen und drückt angesichts stark steigender Rohstoff- und Energiepreise zusätzlich auf die eh schon knappen Margen.
Swissmem zeigt trotzdem Verständnis für die Leitzinserhöhung. Die Hauptaufgabe der SNB ist unbestritten, die Preisstabilität sicherzustellen. Wegen der markant gestiegenen Inflation auf fast 3% und des Risikos eines weiteren Anstiegs hätte die SNB über kurz oder lang ohnehin einen geldpolitischen Kurswechsel vornehmen müssen. Inflationsbekämpfung kommt uns allen zugute:
- Inflation ist eine Geissel der Menschheit und führt zu willkürlicher Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Besonders Leidtragende sind sozial Schwächere und Sparer. Kleine Vermögen von wenigen 10'000 Franken sind meist auf Bankkonten angelegt und nicht in Realwerten wie Liegenschaften, Aktien oder Rohstoffen investiert, welche einen gewissen Inflationsschutz geniessen. Die Kaufkraft dieser Geldguthaben schmilzt mit einer unkontrollierten Inflation wie Schnee an der Sonne, und weg sind die Ersparnisse.
- Nur vordergründig beschränkt sich die Inflation auf die Verteuerung von Erdöl, Erdgas und Strom. Da diese Energieträger nicht nur direkt von den Haushalten konsumiert werden, sondern als wichtige Ressourcen in der Produktion von praktisch allen Gütern und Dienstleistungen eingesetzt werden, verteuern sich schliesslich als Folge höherer Produktionskosten alle Güter und Dienstleistungen. Die Inflation durchdringt damit immer mehr sämtliche wirtschaftlichen Lebensbereiche. Sobald sich eine Inflation einmal zu verstetigen beginnt, droht die Gefahr einer Lohn-/Preisspirale. Eine solche mündet schliesslich in einer Stagflation, also einer äusserst unangenehmen Situation mit stagnierender Wirtschaftsentwicklung und einem weiteren Anstieg der Inflation. Stagflation, das zeigt die historische Erfahrung, lässt sich nur zum Preis einer tiefen Rezession (gepaart mit hoher Arbeitslosigkeit) überwinden.
- Schliesslich macht Inflationsbekämpfung die in der politischen Diskussion vorgeschlagenen staatlichen Massnahmen aller Art, wie die Bevölkerung für die Kaufkraftverluste kompensiert werden sollen, obsolet. Dazu gehören beispielsweise die Senkung von Treibstoffsteuern, die weitere Verbilligung von Krankenkassenprämien u.a.m. Diese Massnahmen belasten den Staatshaushalt, erzielen aber nur eine zeitlich beschränkte Wirkung, wenn die Inflation nicht an der Wurzel bekämpft wird. Setzt sich die Inflation nämlich fort, wird der Staat weitere Unterstützungsmassnahmen leisten müssen, was am Schluss unbezahlbar wird.
Zweifellos verursacht die Zinserhöhung der SNB auch in der MEM-Industrie «Schmerzen». Sie dient aber letztlich dazu, weitaus «stärkere Schmerzen» zu vermeiden. Diese würden in der Zukunft eintreten, wenn die Inflation nicht frühzeitig bekämpft wird. Vor diesem Hintergrund sollte die Leitzinserhöhung der SNB von allen Menschen auf Verständnis stossen dürfen.