Elektrische Antriebe sind fĂĽr nahezu 50% des gesamten Stromverbrauchs in der Schweiz verantwortlich. Das Strom-Einsparpotenzial bei Pumpen, Ventilatoren, Kompressoren, Werkzeugmaschinen usw. liegt oft bei 20 bis 40%.
Herr Macabrey, was fällt eigentlich unter den Begriff «elektrische Antriebe»?
Nicolas Macabrey: Die Bezeichnung umfasst Pumpen, Ventilatoren, Druckluft- und Kältekompressoren sowie alle sonstigen Komponenten, die von einem Elektromotor angetrieben werden.
Wie erklärt sich das aktuell grosse Interesse an elektrischen Antrieben? Wie hoch sind die möglichen Energieeinsparungen?
Aus den mehreren hundert Analysen und Umsetzungen, die in den letzten 15 Jahren durchgeführt wurden, wissen wir, dass das Stromsparpotenzial rund 20 bis 40% beträgt. In Extremfällen lässt sich der Energieerbrauch sogar um 75% senken!
Das sind beeindruckende Zahlen! Wie ist das möglich, Herr Macabrey?
Man muss vor allem das gesamte System – alle miteinander verbundenen Komponenten – betrachten und im realen Betrieb messen, um herauszufinden, wo die meiste Energie verloren geht. Entgegen der weit verbreiteten Annahme sinkt der Energieverbrauch nur um wenige Prozent, wenn man allein einen Motor durch ein effizienteres Modell ersetzt. Die grossen Einsparungen liegen bei der richtigen Anlagen-Dimensionierung: Zentral ist es zu prüfen, welcher Bedarf – z.B. Luftmenge für einen Ventilator – für die jeweilige Anwendung tatsächlich gedeckt sein muss, damit dann das gesamte System an diesen Bedarf angepasst wird. Ein Beispiel: wenn der Luftstrom eines Ventilators um 25% vermindert werden kann, so reduziert sich der Stromverbrauch um 50%!
Ausserdem laufen die angetriebenen Komponenten – ob Pumpe, Ventilator, usw. – oft nicht im optimalen Betriebsbereich, was beträchtliche Energieverluste verursacht. Auch die beste Pumpe der Welt hat einen schlechten Wirkungsgrad, wenn sie im falschen Betriebspunkt betrieben wird. In diesem Fall empfiehlt es sich, das angetriebene Element durch eine auf den aktuellen Bedarf ausgelegte Komponente zu ersetzen.
Das dritte grosse Einsparpotenzial liegt in den Stellgliedern – Klappen und Regelventilen –, die unnötig viel Energie vernichten. Bei variablem Bedarf lohnt es sich einen Drehzahlregler zu installieren.
Um zu vermeiden, dass in einem Betrieb ineffiziente Energienutzungen für weitere 15 bis 25 Jahre zementiert werden, darf man einzelne Systemkomponenten nicht einfach durch identische neue Komponenten ersetzen. Eine neue Komponente sollte dem Bedarf entsprechend ausgelegt werden.
Wie gehen Unternehmen, die solche Sparpotenziale ausschöpfen möchten, effizient und praktisch vor?
Der erste Schritt besteht darin, die elektrischen Antriebe mit dem grössten Sparpotenzial zu identifizieren. Mit dem vom BFE bereitgestellten INCITE-Tool erstellt das Unternehmen – oder dessen Beraterin oder Berater – zunächst eine Liste aller potenziell interessanten elektrischen Antriebe. Die Auswahlkriterien sind einfach: Die möglichen Einsparungen werden anhand einiger Basisdaten (Alter, Grösse, Betriebsdauer) von Komponenten eingeschätzt. Daraus lässt sich ableiten, welche Detailanalysen vorrangig durchgeführt werden sollten. So kann man sich auf jene Komponenten fokussieren, die potenzielle Einsparungen von mehr als 20% und ein Payback von unter 5 Jahren bieten. In der Folge führt ein Spezialist an den ausgewählten elektrischen Systemen Messungen durch und erstellt daraus eine detaillierte Betriebsanalyse. Dieser Schritt ist unverzichtbar, denn ein ineffizienter Betrieb ist oft gar nicht leicht zu erkennen! In dieser Phase wird in enger Abstimmung mit der Produktionsleitung und mit der für die technischen Anlagen des Unternehmens verantwortlichen Person der tatsächlich nötige Energiebedarf bestimmt. Die dann vorliegenden Daten ermöglichen genaue Angaben zur Höhe der Energieeinsparung sowie die Auslegung des neuen Systems mit den geeignetsten Komponenten. Darüber hinaus fallen bei der Optimierung der elektrischen Antriebe oft auch andere Funktionsmängel oder Schwächen auf, deren Beseitigung den Unternehmen zusätzliche Vorteile bringt.
Welche Unterstützung kann ein Unternehmen für diese Abklärungen in Anspruch nehmen?
Dafür hat das Bundesamt für Energie (BFE) das Programm «INCITE» eingeführt – eine neue Initiative, die sich auf die Optimierung von elektrischen Antrieben konzentriert. Dieses Programm für Unternehmen umfasst einen methodischen Teil, Online-Analysetools, die Möglichkeit, Messinstrumente auszuleihen, und die Möglichkeit, eine kostenlose Beratung durch einen Experten in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus werden Fördermittel für Messungen und Analysen zur Verfügung gestellt. Auch die Umsetzung kann gefördert werden, sobald sich die Investitionen konkret beziffern lassen.
Über das INCITE-Programm können Swissmem-Mitglieder Gutscheine für eine Vor-Ort-Beratung in ihrer Produktion im Wert von je CHF 2'000.- erhalten. Die ersten zehn Unternehmen, welche sich für das Swissmem-Seminar vom 23. Januar 2025 anmelden, können davon profitieren. Erfahren Sie mehr im Rahmen eines Webinars und nutzen Sie die Gelegenheit, sich in einem Halbtages-Seminar optimal auf diese energetische Optimierung vorzubereiten.
Swissmem-Webinar, 28. November 2024: «Elektrische Antriebe, grosses Effizienz- und Kostenreduktionspotenzial»
Programm und Anmeldung
Swissmem-Seminar, 23. Januar 2025: «Praktische Tipps für die energetische Optimierung von elektrischen Antrieben in Industriebetrieben»
Dies ist ein «save-the-date», weitere Informationen zum Seminar folgen zeitnah via Swissmem-Newsletter.
Welche Rolle spielt Swissmem in diesem Prozess?
Die seit der Energiekrise wieder stark gefallenen Strompreise liegen noch immer deutlich über dem Vorkrisen-Niveau. Für eine wettbewerbsfähige Produktion am Industriestandort Schweiz, müssen überall wo möglich die Betriebskosten gesenkt werden. Das INCITE-Programm setzt den Hebel beim grossen Effizienzpotenzial von elektrischen Antrieben an. In Zusammenarbeit mit INCITE, soll dazu sensibilisiert und informiert werden. Konkret bietet Swissmem ein Webinar an, gefolgt von einem halbtägigen Seminar, wo der Optimierungsprozess erläutert, und bestenfalls eine persönliche Vor-Ort-Beratung vorbereitet wird.
Ihr Fazit – was ist Ihre Botschaft an die Unternehmen?
Nehmen Sie an den erwähnten Veranstaltungen teil und befassen Sie sich möglichst bald mit diesem Thema! Alles, was Sie jetzt umsetzen können, wirkt sich deutlich und langfristig auf Ihre Stromrechnung aus.
Zur Person
Nicolas Macabrey ist EnAW-Berater, Elektroingenieur (EPFL) und Dr. der Ingenieurwissenschaften (EPFL). Er ist seit mehr als fünfzehn Jahren in einem Beratungsbüro im Bereich elektrische Antriebe tätig. Der Leiter des Kompetenzzentrums des BFE-Programms INCITE hat bereits hunderte von Analysen in Unternehmen durchgeführt und beteiligt sich seit lange intensiv an der Entwicklung von schweizweiten und kantonalen Effizienz-Programmen.