Netto-Null – eine riesige Herausforderung insbesondere für Industrie und Flugverkehr
Die drastische Reduktion von Treibhausgasemissionen zur Beschränkung des Klimawandels ist eine der grössten Herausforderungen der Gegenwart. Mit der Reduktionsverpflichtung im Rahmen des Pariser Klimaabkommens und dem «Netto-Null-2050»-Ziel des Bundesrats möchte auch die Schweiz ihren Beitrag dazu leisten. In den Bereichen Raumwärme und Strassenverkehr sind mit Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen zunehmend betriebswirtschaftlich attraktive Alternativ-Technologien verfügbar. Im Bereich der Hochtemperaturprozesswärme sowie im bis zur Corona-Krise international stark wachsenden Flugverkehr fehlen solche CO2-neutralen Substitute.
Nachhaltiger Flugtreibstoff ist 3 bis 4 Mal teurer
Langfristig sind voraussichtlich nur synthetische Treibstoffe in der Lage, die zur Dekarbonisierung des Flugverkehrs notwendigen Volumen bereit zu stellen. Zurzeit werden sustainable aviation fuels (SAF) erst im Ausland in sehr geringen Mengen und in einzelnen Anlagen aus Biomasse, hauptsächlich aus altem Speiseöl, produziert. Das biologische SAF kostet ca. 3 bis 4 Mal mehr als konventionelles, fossiles Kerosin. Laut SWISS sind ca. 1% der Passagiere bereit, den CO2-Ausstoss ihrer Flüge bei der Buchung zu kompensieren und so einen höheren Ticketpreis zu bezahlen. Dieser Zustupf hat es SWISS im Sommer ermöglicht, eine nennenswerte Menge SAF in die Schweiz zu importieren und in die Betankungsanlage des Flughafens Zürich einzuspeisen. Damit steht das SAF auch dem Swissmem-Mitglied SR Technics AG zur Verfügung. Die Firma könnte mit SAF die grösstenteils aus dem Testbetrieb von gewarteten Flugzeugtriebwerken stammenden Treibhausgasemissionen deutlich reduzieren.
Regulatorische HĂĽrden weiter reduzieren
Erst seit dem 1. Juli 2021 ist es infolge neuer Zollbestimmungen möglich, biologisches SAF in die Schweiz zu importieren und den Verbrauchern am Flughafen Kloten zur Verfügung zu stellen. Nach dem erfolgreichen Abbau bisheriger zollrechtlicher Hürden richtet sich der Fokus auf die nächste regulatorische Baustelle: Die Mineralölsteuerverordnung sieht vor, dass Flugpetrol zum Testen von Flugtriebwerken auf dem Prüfstand steuerbegünstigt wird. Für eine gleichwertige Steuerbegünstigung von SAF bestehen jedoch im Vergleich zur EU unverhältnismässig hohe Anforderungen an ökologische Nachweise, welche weder von den SAF-Verbrauchern noch von den Importeuren erbracht werden können. Setzt z.B. SR Technics für ihre Triebwerktests fossiles Kerosin ein, ist dieses quasi von der Mineralölsteuer befreit. Testet SR Technics hingegen mit dem neu verfügbaren SAF, reduziert sich zwar der CO2-Ausstoss der Triebwerktests um rund 80%, aber die Mineralölsteuer wird erhoben. Damit steigen die SAF-Mehrkosten gegenüber fossilem Kerosin von 300 - 400% auf 500 - 600% nach Steuern. Das senkt den Anreiz stark, mehr SAF nachzufragen und damit dessen Produktion und Marktdurchdringung wettbewerbsfähiger zu machen.
Anreize richtig setzen
Gewisse Parallelen zum SAF-Import, auch wenn nicht ganz vergleichbar, zeigen sich beim Import von Biogas. Ist ein Industriebetrieb auf Hochtemperatur-Prozesswärme angewiesen, steht ihm als klimaverträglicher Brennstoff in nächster Zeit nur Biogas zur Verfügung. Kauft das Unternehmen CO2-neutrales Biogas in der EU wird es beim Import in die Schweiz dennoch als fossiles Erdgas eingestuft. Das Industrieunternehmen kann sich folglich den ökologischen Mehrwert des Biogases resp. die Emissionsreduktionen nicht anrechnen lassen, obwohl dafür bezahlt und eine entsprechende Nachfrage ausgelöst wurde. Wir sind optimistisch, dass dieses Problem mit dem neuen Schweizer Gasversorgungsgesetz (GasVG) gelöst wird. Obwohl schon lange angekündigt, liegt das GasVG zurzeit auf der «langen Bank». Schneller sollte das Problem der steuerlichen Ungleichbehandlung von Kerosin und SAF gelöst werden können.