In der neuen EU-Maschinenverordnung 2023/1230, die ab dem 20. Januar 2027 anwendbar wird, ist die Betriebsanleitung sowie die Konformitätserklärung in digitaler Form explizit als Standardoption zugelassen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Dokumente der unvollständigen Maschine.
Die betroffenen nationalen Verbände (u.a. Swissmem) sind zusammen mit dem europäischen Dachverband Orgalim bei der EU-Kommission vorstellig geworden und haben angeregt, dass den Herstellern bereits vor der Anwendbarkeit der neuen EU-Maschinenverordnung 2023/1230 die Möglichkeit gegeben werden soll, die sicherheitsrelevanten Anleitungen zu ihrem Produkt in digitaler Form abzugeben.
Unser Lobbying hatte Erfolg. Mitte April hat die EU-Kommission die Leitlinien zur Maschinenrichtlinie 2006/42/EG geändert, womit die sicherheitsrelevanten Anleitungen vom Hersteller neu in digitaler Form bereitgestellt werden können – somit also bereits unter der aktuellen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG.
Eine Änderung der Maschinenrichtlinie ist hierfür nicht erforderlich, da diese keine Vorgaben zum Format dieser Dokumente aufstellt. Lediglich in den Leitlinien wurde bisher einschränkend auf den allgemeinen Konsens hingewiesen, dass alle sicherheitsrelevanten Anleitungen in Papierform mitgeliefert werden müssen. Mit der im April veröffentlichten Version 2.3 wurden die Leitlinien an verschiedenen Stellen geändert. Unter den gleichen Voraussetzungen wie zukünftig unter der neuen EU-Maschinenverordnung können die Hersteller im Grundsatz die sicherheitsrelevanten Anleitungen in digitaler Form mitgeben. Es handelt sich dabei (wie später auch unter der Maschinenverordnung) nicht um eine Pflicht für die Hersteller. Nach wie vor ist die Papierform gesetzeskonform.
Die Anforderungen an den Inhalt und die Sprache sind weiterhin diejenigen der Maschinenrichtlinie. (1.7.4. des Anhangs I).
Einschränkungen
Wer jedoch auf die digitale Form wechselt, muss gewisse Anforderungen beachten und die digitale Form gilt nicht ausnahmslos (vgl. nachfolgend die Anforderungen im Detail). Verlangt der Nutzer beim Kauf eine Papierversion, muss ihm diese innerhalb eines Monats kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Bei Maschinen, die für nichtprofessionelle Nutzer bestimmt sind, müssen die Sicherheitsinformation, die für die sichere Inbetriebnahme der Maschine wesentlich sind, in Papierform vorliegen. Das Gleiche gilt, wenn das Produkt zwar für professionelle Nutzer bestimmt ist, jedoch unter Umständen damit gerechnet werden muss, dass es von nicht professionellen Nutzern verwendet werden kann.
Ausserdem empfehlen wir jeweils vorgängig die folgende Abklärung:
Einzelne Mitgliedstaaten (z.B. Polen, weitere sind uns nicht bekannt) sehen in ihrem nationalen Recht zur Umsetzung der Maschinenrichtlinie vor, dass die Betriebsanleitung und die Konformitätserklärung in Papierform mitgeliefert werden müssen. Solche nationalen Regelungen waren bisher kompatibel mit der Handhabung in der EU. Neu entsteht hier eine Differenz, welche man nicht mit übergeordnetem EU-Recht «weg-begründen» kann, zumal die nun geänderten Leitlinien nicht Gesetz sind. Unklar ist daher, wie die Marktaufsichtsbehörden in solchen Staaten reagieren, wenn alles digital geliefert wird. Es ist in jedem Fall zu empfehlen, den Kunden in einem Mitgliedstaat anzufragen, ob das nationale Recht eine solche Vorschrift kennt. Dies betrifft alle Produkte, welche von der Maschinenrichtlinie erfasst werden.
Anforderungen im Detail
Maschinen
FĂĽr die Abgabe der Betriebsanleitung in digitaler Form sind die folgenden Anforderungen zu erfĂĽllen:
- Primär auf der Maschine selbst ist anzugeben, wie auf die digitale Betriebsanleitung zugegriffen werden kann. Falls dies nicht möglich ist, kann es auch auf der Verpackung oder in einem Begleitdokument erfolgen.
- Das Format, in welchem die digitale Betriebsanleitung zur Verfügung gestellt wird, muss ausgedruckt, heruntergeladen und gespeichert werden können.
- Es muss jederzeit (auch bei einem Ausfall der Maschine) auf die Betriebsanleitung zugegriffen werden können. Auch bei der Integration in die Software der Maschine muss der Zugriff bei einem Ausfall gewährleistet sein.
- Während mindestens 10 Jahre nach dem Inverkehrbringen oder während der voraussichtlichen Lebensdauer muss die Betriebsanleitung online zugänglich sein.
- Sowohl ein professioneller als auch ein nichtprofessioneller Nutzer hat das Recht, zum Zeitpunkt des Kaufs zu verlangen, dass ihm eine Betriebsanleitung auf Papier gegeben wird. Der Hersteller muss eine solche innerhalb eines Monats kostenlos abgeben.
Bei Maschinen für den nicht gewerblichen Gebrauch empfehlen die Leitlinien, dass der Hersteller ausdrücklich auf dieses Recht aufmerksam macht. Dieser Hinweis sollte durch einen Kontakt, bei welchem man eine Papierbetriebsanleitung bestellen kann, ergänzt werden. Dies kann in einem «Beipackzettel», auf der Verpackung oder auf dem Produkt selbst in einer für den Käufer leicht verständlichen Sprache erfolgen. Unter «leicht verständlicher Sprache» verstehen die Leitlinien eine oder mehrere Amtssprachen des Verwenderlandes.
- Bei Maschinen für den nicht gewerblichen Bereich müssen die wesentlichen Sicherheitsinformationen weiterhin in Papierform abgegeben werden. Wesentliche Sicherheitsinformationen sind solche Informationen, die eine sichere Inbetriebnahme und Verwendung des Produkts gewährleisten. Dies gilt auch dann, wenn vernünftigerweise voraussehbar ist, dass für Profis bestimmte Maschinen von nichtprofessionellen Nutzern verwendet werden können.
Unvollständige Maschinen
FĂĽr die Abgabe der Montageanleitung in digitaler Form sind die folgenden Anforderungen zu erfĂĽllen:
- Primär auf der unvollständigen Maschine selbst ist anzugeben, wie auf die digitale Montageanleitung zugegriffen werden kann. Falls dies nicht möglich ist, kann es auch auf der Verpackung oder in einem Begleitdokument erfolgen.
- Das Format, in welchem die digitale Montageanleitung zur Verfügung gestellt wird, muss ausgedruckt, heruntergeladen und gespeichert werden können.
- Es muss jederzeit (auch bei einem Ausfall der unvollständigen Maschine) auf die Montageanleitung zugegriffen werden können. Auch bei der Integration in die Software der unvollständigen Maschine muss der Zugriff bei einem Ausfall gewährleistet sein.
- Während mindestens 10 Jahre nach dem Inverkehrbringen der unvollständigen Maschine muss die Montageanleitung online zugänglich sein.
- Die Person, welche die unvollständige Maschine einbaut, hat das Recht, zum Zeitpunkt des Kaufs zu verlangen, dass ihm eine Montageanleitung auf Papier gegeben wird. Der Hersteller muss eine solche innerhalb eines Monats kostenlos abgeben.
Konformitäts- und Einbauerklärung
Die Konformitäts- und die Einbauerklärung können ebenfalls in digitaler Form bereitgestellt werden. Auch hier gilt: das ist eine Option, aber keine Pflicht. Die Konformitäts- oder Einbauerklärung muss nicht in der gleichen Form vorhanden sein, wie die Betriebs- bzw. die Montageanleitung. Diese Konstellation ermöglicht es den Unternehmen, die für sie bestmöglichen Umgang zu wählen.
Wird die Konformitäts- oder Einbauerklärung weiterhin in Papierform mitgeliefert, ändert sich nichts. Die Erklärung begleitet das Produkt.
Wird die Konformitäts- oder Einbauerklärung in digitaler Form zur Verfügung gestellt, dann ist in der Betriebsanleitung bzw. in der Montageanleitung die Internetadresse oder den maschinenlesbaren Code anzugeben, unter denen auf die Konformitäts- bzw. die Einbauerklärung zugegriffen werden kann. Aus heutiger Sicht empfiehlt es sich, den Hinweis (auch) auf dem Produkt selbst anzubringen. Die Konformitätserklärung ist online während der erwarteten Lebensdauer und in jedem Fall für mindestens 10 Jahren seit dem Inverkehrbringen zugänglich zu halten. Bei der Einbauerklärung gelten die 10 Jahre ebenfalls.
Swissmem veranstaltet am 1. Juli 2024 ein halbtägiges Seminar, an welchem die digitale Betriebsanleitung unter der Maschinenrichtlinie ebenfalls thematisiert wird. Weitere Informationen finden Sie hier.
Bei Fragen von Mitgliedern steht Ihnen Urs Meier gerne zur VerfĂĽgung (u.meiernoSpam@swissmem.ch).