Der Arbeitgeber ist von Gesetzes wegen verpflichtet, einem kranken Arbeitnehmer für eine beschränkte Dauer weiterhin den Lohn zu entrichten, obwohl dieser seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann (Art. 324a OR; Art. 18.1. GAV). Die meisten Arbeitgeber haben für ihre Lohnfortzahlungspflicht eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen. Der Abschluss einer Krankentaggeldversicherung ist freiwillig und hat zum Ziel, den Arbeitgeber von seiner Lohnfortzahlungspflicht zu befreien.
Welche Voraussetzungen mĂĽssen dafĂĽr erfĂĽllt sein?
Es ist darauf zu achten, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass er seine Lohnfortzahlungspflicht durch eine Versicherung erbringen lässt (Ersatzlösung). Beim Hinweis auf die Ersatzlösung ist wichtig, dass der Arbeitgeber auf die Leistungen gemäss den Versicherungsbedingungen verweist und die Leistungen der Versicherung nicht als eigene Leistungen deklariert. Ansonsten besteht die Gefahr, dass daraus ein Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber abgeleitet werden kann. Darauf ist insbesondere beim Abfassen von firmeninternen Reglementen zu achten.
Weiter muss die Krankentaggeldversicherung eine im Vergleich zur gesetzlichen Regelung (oder GAV Regelung) gleichwertige Leistung vorsehen (Art. 324a Abs. 4 OR). Was Gleichwertigkeit bedeutet, muss von Fall zu Fall abgeklärt werden. Von Gleichwertigkeit kann aber ausgegangen werden, wenn ohne bzw. mit einer kurzen Wartefrist (von bis zu 2 Tagen) während 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen 80% des Lohnes bezahlt und die Versicherungsprämie von Arbeitgeber und Arbeitnehmer je hälftig übernommen wird.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich von seiner Lohnfortzahlungspflicht befreit.
Was, wenn die Krankentaggeldversicherung ihre Leistungen verweigert oder kĂĽrzt?
Es stellt sich die Frage, ob die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers wieder auflebt, wenn die Krankentaggeldversicherung ihre Leistungen verweigert oder kĂĽrzt. Ausschlaggebend fĂĽr die Beantwortung dieser Frage sind die GrĂĽnde, welche zur Leistungsverweigerung fĂĽhren.
Ist die Leistungsverweigerung auf Versäumnisse des Arbeitgebers zurückzuführen, beispielsweise weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei der Versicherung nicht angemeldet, einen zu geringen Lohn versichert, die Prämien nicht bezahlt oder den Krankheitsfall der Versicherung nicht gemeldet hat, ist der Arbeitnehmer so zu stellen, wie wenn die Versicherung gültig zustande gekommen wäre. Das heisst, der Arbeitgeber hat die gegenüber dem Arbeitnehmer versprochenen Leistungen der Versicherung zu erbringen. Es lebt also nicht nur die gesetzliche oder nach GAV geltende Lohnfortzahlungspflicht wieder auf, sondern der Arbeitnehmer ist vom Arbeitgeber so zu stellen, wie wenn er Krankentaggelder bekommen würde.
Ist die Leistungsverweigerung hingegen auf eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zurückzuführen, beispielsweise, weil dieser Auflagen des Versicherungsvertrages wie Mitwirkungs- und Anzeigepflichten nicht erfüllt, rechtfertigt sich ein Wiederaufleben der Lohnfortzahlung des Arbeitgebers nicht. Denn es liegt eine gleichwertige Ersatzlösung vor und die Verantwortung für die Leistungsverweigerung der Versicherung liegt nicht beim Arbeitgeber.
Nicht eindeutig ist die Rechtslage bei Leistungsvorbehalten der Versicherung. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Ersatzlösung der Versicherung das Erfordernis der Gleichwertigkeit erfüllt. Denn die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht kennt keine Vorbehalte; nach Art. 324a OR ist der Arbeitgeber bei jeder Krankheit und unabhängig davon, ob die Krankheit schon vorbestanden hat oder nicht, zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Eine Versicherungslösung mit Vorbehalten wird daher von gewissen Lehrmeinungen als per se nicht gleichwertig bezeichnet. Andere Lehrmeinungen lassen Risikovorbehalte von Versicherungen zu, sofern sie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart worden sind und dafür die Leistungen bei anderen Krankheiten grosszügiger ausfallen (sog. Schutztransfer).
Und was gilt, wenn eine Versicherung keine Taggelder bezahlt, weil sie der Ansicht ist, dass keine Krankheit vorliegt?
Geht man davon aus, dass die Versicherung rechtsgĂĽltig abgeschlossen wurde und Gleichwertigkeit der Leistungen vorliegt, sind alle Voraussetzungen fĂĽr eine Leistungsbefreiung des Arbeitgebers gegeben. Ein Aufleben der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers rechtfertigt sich hier somit ebenfalls nicht. Der Arbeitnehmer mĂĽsste in diesem Fall seine Forderung direkt gegenĂĽber der Versicherung geltend machen.
FĂĽr weitere Fragen steht Eva Bruhin, Ressortleiterin Bereich Arbeitgeberpolitik, Swissmem-Mitgliedern gerne zur VerfĂĽgung (044 384 42 81 oder e.bruhinnoSpam@swissmem.ch).