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Kündigung nach Ablauf der Sperrfrist und andauernder Krankheit

Spricht der Arbeitgeber einem Arbeitnehmenden nach Ablauf der Sperrfrist gemäss Art. 336c OR die ordentliche Kündigung aus und besteht die Krankheit weiter, stellt sich die Frage, ob die ausgesprochene Kündigung rechtsmissbräuchlich ist. Das Bundesgericht hat vor einigen Monaten seine bisherige Praxis bestätigt.

Gemäss Art. 336c OR kann der Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit das Arbeitsverhältnis nicht ordentlich kündigen, wenn eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der in Art. 336 Abs. 1 lit. a-d OR aufgeführten Gründe vorliegt. Die während dieser Sperrfrist ausgesprochene ordentliche Kündigung ist nichtig, entfaltet auch nach Ablauf der Sperrfrist keinerlei Wirkung und muss nochmals unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist wiederholt werden (BGE 128 III 212 E. 3a und 3b; Oger ZH in JAR 1981 S. 151). Ohne eine nochmalige ordentliche Kündigung läuft nämlich das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten (inkl. Lohnzahlung) weiter. 

Ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber nach Ablauf der Sperrfrist

Nach Ablauf der oben erwähnten Sperrfrist ist eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber, selbst wenn die Arbeitsverhinderung weiter besteht, grundsätzlich möglich und gültig (BGE 136 III 510 E. 4.4 und BGE 123 III 246 E. 5). Dabei ist massgebend, ob im Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmende von der Kündigung Kenntnis nimmt, die Sperrfrist bereits abgelaufen ist.

Missbräuchlichkeit einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Sperrfrist und andauernder Krankheit?

Obwohl die nach Ablauf der Sperrfrist ausgesprochene ordentliche Kündigung gültig ist, stellt sich die Frage, ob eine solche Kündigung allenfalls als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR betrachtet werden muss.

Bereits im Urteil BGer 4A_293/2019 vom 22. Oktober 2019 hielt das Bundesgericht fest, dass der Arbeitgeber bei einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krankheit grundsätzlich berechtigt ist, die ordentliche Kündigung auszusprechen, sofern die Sperrfrist im Sinne von Art. 336c Abs. 1 lit. b OR bereits abgelaufen ist (vgl. auch BGE 136 III 510 E. 4.4; Urteil BGer 4A_564/2008 vom 26. Mai 2009 E. 2.2 sowie BGer 4C_174/2004 vom 5. August 2004 E. 2.2.2.).

Im selben Urteil vom 22. Oktober 2019 unterstrich jedoch das Bundesgericht, dass eine ordentliche Kündigung bei abgelaufener Sperrfrist und andauernder Krankheit missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR ist, wenn die weiterhin bestehende Krankheit auf eine Verletzung der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht gemäss Art. 328 OR zurückzuführen ist (siehe auch Urteile BGer 4A_437/2015 vom 4. Dezember 2015 E.2.2.2 und BGer 4C_354/2005 vom 8. Februar 2006 E. 2.3). Dabei muss es zwischen dem als missbräuchlichen angefochtenen Kündigungsgrund und der ausgesprochenen ordentlichen Kündigung einen vom Arbeitnehmenden zu beweisenden Kausalzusammenhang geben (siehe auch BGE 125 III 70 E. 2a und Urteil BGer 4A 437/2015 vom 4. Dezember 2015 E. 2.2.3).

Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtes in BGer 4A_396/2022

Im Entscheid 4A_396/2022 vom 7. November 2023 befasste sich das Bundesgericht nochmals mit einer ordentlichen Kündigung, die nach Ablauf der Sperrfrist und bei andauernder Krankheit ausgesprochen worden war. Dabei hielt das Bundesgericht fest, dass es nach Ablauf der Sperrfrist im Grunde zulässig ist, jemandem wegen einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krankheit zu kündigen. Das Weiterbestehen der Krankheit und die daraus folgende Unmöglichkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen, sind somit keine missbräuchlichen Kündigungsgründe.

Im erwähnten Entscheid führte das Bundesgericht weiter aus, dass nur in krassen Fällen eine ordentliche Kündigung wegen andauernder Krankheit als missbräuchlich im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR zu qualifizieren ist (BGE 136 III 513 E. 2.3; BGE 132 III 115 E. 2.1 und BGE 131 III 535 E. 4.2). Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn aus den Beweisen eindeutig hervorgeht, dass der Arbeitgeber direkt die Krankheit des Arbeitnehmenden verursacht hat (Beispiel: der Arbeitgeber hat es ausdrücklich versäumt, im Sinne von Art. 328 Abs. 2 OR geeignete Massnahmen zum Schutz des Arbeitnehmenden zu ergreifen und Letzterer wurde deswegen krank).

Zuletzt fügte das Bundesgericht hinzu, dass wenn die Situation den oben beschriebenen Schweregrad nicht erreicht, wie zum Beispiel bei einer, aufgrund einer psychischen Krankheit bestehenden Arbeitsunfähigkeit, die ausgesprochenen ordentliche Kündigung nicht missbräuchlich ist. Schwierigkeiten bei der Arbeit, wie u.a. ein Konflikt mit einem neuen Vorgesetzten, der oft zu Depressionen oder anderen psychischen Problemen führt, stellt gemäss Bundesgericht keine durch den Arbeitgeber verursachte Krankheit dar, weshalb eine nach der Sperrfrist ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht missbräuchlich ist.

Swissmem-Mitgliedern gibt Marcel Marioni, Ressortleiter Bereich Arbeitgeberpolitik (044 384 42 09 oder m.marioninoSpam@swissmem.ch) gerne Auskunft.

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Letzte Aktualisierung: 26.01.2024