Das Schweizer Arbeitsrecht geht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit aus. Dieser Grundsatz findet seine Grenzen am Missbrauchsverbot. Art. 336 OR umschreibt zahlreiche Kündigungsgründe, welche unzulässig sind. Diese Aufzählung gilt aber nicht als abschliessend. So hat das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung diesen Katalog an Missbrauchstatbeständen weiter ausgebaut. Demnach hat ein Arbeitgeber bei älteren und langjährigen Mitarbeitenden eine erhöhte Fürsorgepflicht und muss bei der Art und Weise, wie er sein Kündigungsrecht ausübt, besonders schonend vorgehen. Das Bundesgericht hielt in einem früheren Entscheid fest, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung informieren und anhören soll und nach Lösungen zu suchen hat, welche eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen (BGE 4A_384/2014). Verletzt er seine Pflicht, kann die Kündigung missbräuchlich sein. Diese undifferenzierte Rechtsprechung wurde in der Lehre und von Seiten der Arbeitgeber kritisiert. In einem aktuellen Entscheid greift das Bundesgericht nun die Kritik auf und nimmt dazu präzisierend Stellung.
Einzelfall und Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände massgebend
In diesem Fall wurde einem zum Zeitpunkt der Kündigung sechzigjährigen Geschäftsführer nach 37 Jahren im Unternehmen ordentlich gekündigt. Als Grund wurde insbesondere der Umgang mit den Mitarbeitenden und die in diesem Zusammenhang erfolgten negativen Rückmeldungen angeführt. Der Geschäftsführer machte vor Gericht geltend, dass er vor der Kündigung nicht informiert oder angehört wurde, weshalb die Kündigung missbräuchlich sei.
Das Bundesgericht unterstützte aber die Sicht des Arbeitgebers, dass das Obligationenrecht keine Pflicht kenne, die Gegenpartei vor Aussprache einer Kündigung anzuhören oder sie zunächst zu verwarnen. Auch bestehe keine generelle Pflicht, bei einer vorgesehenen Kündigung zuerst eine Verhältnismässigkeitsprüfung durchzuführen und mildere Massnahmen zu ergreifen. Es dürfe keine isolierte Betrachtung nur des Alters des Arbeitnehmers stattfinden, «sondern es ist auf die gesamten Umstände des Einzelfalles abzustellen». Der Arbeitgeber habe zwar bei älteren Arbeitnehmenden der Art und Weise der Kündigung besondere Beachtung zu schenken. Entgegen der zuvor zu «apodiktisch» ausgefallenen Rechtsprechung zur Kündigung von älteren Arbeitnehmenden, «bestimme sich der Umfang der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht vorgängig zu einer Kündigung jedenfalls auch hinsichtlich dieser Arbeitnehmerkategorie einzelfallbezogen aufgrund einer Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände». Es müsse auch die spezifische Stellung des Arbeitnehmers beachtet werden. Beim Geschäftsführer, welcher eine erhebliche Entscheidungskompetenz und eine grosse Verantwortung innehatte, wäre es eher schwierig gewesen, das Arbeitsverhältnis, beispielsweise in einer unteren Abteilung, weiterzuführen. Auch der «relativ hohe Lohn» des Arbeitnehmers müsse mitberücksichtigt werden. Aus diesen Gründen schloss das Bundesgericht vorliegend, dass die Kündigung nicht missbräuchlich gewesen sei, und gewichtete das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigungsfreiheit höher.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Bundesgericht die pauschal geforderte erhöhte Fürsorgepflicht gegenüber älteren Mitarbeitenden etwas relativiert hat und neu auch bei dieser Arbeitnehmerkategorie die jeweils geltenden Umstände im Einzelfall berücksichtigt. Diese Klarstellung des Bundesgerichts ist zu begrüssen. An dieser Stelle bleibt aber auch an die im Art. 25.5 GAV MEM festgehaltene erhöhte Fürsorgepflicht gegenüber älteren Mitarbeitenden bei einer beabsichtigten Kündigung hinzuweisen. Für weitere Fragen steht Mitgliedfirmen von Swissmem Jan Krejci, Ressortleiter Bereich Arbeitgeberpolitik (j.krejci@swissmem.ch), gerne zur Verfügung.
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